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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Autoren: Ju Honisch
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Baum.
    Der Säbel schnitt durch leere Luft.
    Feuer loderte auf, und Konstanze schrie, als der heiße Wind an ihrer Kleidung zerrte und ihre Haut versengte, während sie versuchte, sich so gut wie möglich hinter dem Baum zu verstecken.
    Der Baum verwandelte sich. Mit einem Klirren wie dem eines riesigen Lüsters wurde er zu durchscheinendem Kristall. Einige der Kiefernnadeln regneten herunter und zersprangen klirrend auf dem felsigen Grund. Konstanze fühlte die glasartigen Scherben in ihrem Haar und auf ihrer Haut. Sie schüttelte den Kopf und stellte fest, dass ihr dünne Blutspuren übers Gesicht liefen. Die Nadeln waren scharf und spitz.
    Jetzt endlich sah sie die Mädchen. Das jüngere kauerte ganz unten im Baum, während Clarissa sich darin ausgebreitet hatte wie … Konstanze fiel nicht gleich ein Vergleich ein. Dryade. Clarissa war die Dryade dieses Baumes. Das sollte sie nicht sein. Sie war nur ein Kind. Und sie war nicht besessen.
    Schon gar nicht war sie eine Dryade.
    Konstanze ließ den Baum los, als dieser zu heiß wurde. Würden die Mädchen die Hitze auch fühlen? Würden sie in dem Baum sicher sein? Sicherer als draußen?
    Sie blickte den Magier an, dessen Hände zu dampfen begonnen hatten, und begriff, dass er seine Aktion ebenso wenig aufhalten konnte wie Sutton. Doch vielleicht wollte er das auch gar nicht. Auf seinem Gesicht lag ein eigentümliches Lächeln, Entrücktheit und beinahe physische Freude.
    „Sutton!“, erscholl der verzweifelte Ruf des jungen Mannes. „Wachen Sie auf! Sie müssen etwas tun, damit ich hierbleiben kann! Sie wissen doch, dass es mich sonst wieder zurückzieht. Das war meine letzte Feder. Die alte Frau hat sie mir aus der Hand geschlagen.“
    Das klang seltsam, doch Konstanze wusste, was für Federn er meinte. Sie hatte ihre noch. Auch wer die alte Frau war, wusste sie. „Beende es oder verende“, hatte die Erscheinung gesagt. Es sah sehr danach aus, als ob die zweite Möglichkeit nun Wahrheit wurde, denn Konstanze wusste nicht, wie sie hier irgendetwas beenden sollte.
    Feuer loderte in ihre Richtung, und sie warf sich auf den weißen Grund. Das würde das Unausweichliche nur aufschieben. Heute noch würde sie als Hexe brennen, weil sie ein Kind liebte, das eine Dryade war. In einem Kristallbaum. Innerhalb einer nicht möglichen Welt.
    Es war so beängstigend, wie es lächerlich war. Sollte sie jemals hier herauskommen, würde sie ihre Ausgabe Grimm’scher Märchen wegwerfen und bis an ihr Lebensende nur noch moralisch aufbauende Literatur lesen.
    Die dünnen Glasnadeln wurden rot und dann weiß vor Hitze. Konstanze versuchte, auf dem Bauch rückwärts aus dem Bereich der Äste zu kriechen, bevor geschmolzenes Glas auf sie niederfließen konnte. Doch der Baum war aus Stein und schmolz nicht.
    Zu ihrer Linken bewegte sich etwas. Der Preuße schlich am Nebelwall entlang auf sie zu. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben, dass er sie für seine Lage verantwortlich machte. Frauen waren – für ihn – immer an allem schuld.
    Sie kroch von ihm fort und entfernte sich vom Baum. Nicht nur die Deckung ließ sie zurück, sondern auch die Mädchen. Ein eisiges Schuldgefühl lag ihr im Magen. Doch die Einzigen, die vielleicht etwas tun konnten, lagen entweder reglos auf dem Gipfel oder flogen ihre Kreise in der hohlen Weltenröhre, in der sie sich befanden.
    Sie entschied sich, es mit Sutton zu versuchen, sprang auf und rannte bergauf. Ihr geschwächter Körper wehrte sich gegen die plötzliche Anstrengung. Zu spät fiel ihr auf, dass sie damit das Feuer auf die Menschen am Gipfel zog. Keine gute Idee.
    Eine Flammenspur zog sich hinter ihr her, und sie konnte kaum fassen, was für ein Glück sie bislang gehabt hatte. Aus dem Augenwinkel sah sie den Soldaten, der auf den Magiermönch zustürmte. Er hob sein Krummschwert. Der Magier drehte sich ihm entgegen, doch die tote Gestalt schien immun gegen das Feuer, das von seinen Händen floss.
    „Gütze, hierher!“, brüllte der Magier. Der Preuße rannte nicht sofort dienstbeflissen los, was Konstanze nicht weiter verwunderte.
    Nun hatte sie den Gipfel erreicht. Der verletzte Mönch blickte nur benommen vor sich hin. Er murmelte etwas. Sie verstand Fetzen lateinischer Bibelzitate.
    „Maleficos non patieris vivere”, sagte er, als er sie ansah. Ihr Latein war gerade noch ausreichend, um den Sinn zu verstehen: „Du sollst die, die Böses tun, nicht leben lassen.“ Damit meinte er Hexen. Er wiederholte seinen Spruch wie einen
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