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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Ekman
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»Hundertfünfundzwanzig Kronen.«
    Er ist arm, denkt sie. Sein T-Shirt, das eigentlich schwarz sein sollte, ist so ausgewaschen, dass es schon einen Stich ins Graue hat. Seine Joggingschuhe sind abgetragen. Sie hat eine Idee, wie sie ihn überreden könnte.
    Sie geht quer über den Odenplan zur Handelsbanken an der Ecke Norrtullsgatan. Während sie wartet, bis sie an die Reihe kommt, setzt sie sich und blättert in Wingrens Buch. Da entdeckt sie, dass er in den hinteren Deckel einen dieser Zettel geklebt hat, die Babba so geistreich findet.
    Lesen lässt Ihre Haut altern.
    Das treibt ihr das Blut in Hals und Wangen. Verflixt noch mal, denkt sie. Babba muss ihn speziell vor mir gewarnt haben.
    Arm ist er, und deshalb kann er nicht unbestechlich sein. Sie legt zuerst zwei Tausender auf den Ladentisch.
    »Sind Sie nicht ganz gescheit?«, lautet seine Reaktion.
    Da legt sie noch einen dazu.
    Er lässt sie stehen und setzt sich mit seinem Kaffeebecher und seinem Comicalbum hin.
    »Ich muss sie unbedingt sprechen«, fleht Lillemor. »Sie können noch mehr haben, wenn Sie mir ihre Adresse geben. Nennen Sie ihren Preis.«
    Da nimmt er umständlich seine Lesebrille ab und sagt:
    »Sie kapieren nicht, dass ich Nein sage, wie?«
    »Doch, aber ich verstehe nicht, warum.«
    »Ich möchte meinen Job nicht verlieren.«
    Es ist das erste Mal, dass er sich menschlich anhört.
    Sie will nicht gern etwas im Stil von »Jetzt ist alles aus« denken. Das ist zu pathetisch. Als sie nach Hause kommt, hat sie jedoch das Gefühl, am Ende zu sein. Es hat wahrscheinlich von Anfang an auf sie gewartet.
    In ihrem alltäglichen Leben, dem, das jetzt vom Schrecken aufgebrochen ist, hat sie viel zu tun. Sie hat E-Mails und Briefe zu beantworten, einen Vortrag für die Söderberggesellschaft zu schreiben, und sie muss einen Text für eine Lesung am Writers in Prison Day finden. Außerdem muss sie einen ihrer alten Romane Korrektur lesen, der aus der Backlist des Verlags neu aufgelegt wird. Sie weiß, dass etliche Fehler darin sind.
    Tomas wartet auf Geld, sechstausend Kronen diesmal. Er lässt sich treiben und versucht seine SMS-Kredite auf die Reihe zu bringen. Er hat aber zusammen mit einem anderen Typen im schnieken Anzug ein PR-Büro. Sie haben auch schon Computerspiele verkauft, die ein Genie mit fettigen Haaren konstruiert hat, und eine Zeit lang hat Tomas im Internet Schmuck verkauft.
    Sie verliert den Halt. Kann sich nicht erinnern, dass ihr das seit der weit zurückliegenden Zeit, als sie in der Psychiatrie der Uniklinik hinter einem Sessel gehockt hatte, je wieder passiert wäre. Sie versinkt in einen Dämmerzustand und sehnt sich auf Station 57 zurück. Saubere, steif gemangelte Provinzialkrankenhauslaken. Starke und betäubende Medikamente. Keine Verantwortung. Keine Zukunft.
    Lillemor sitzt in ihrer Wohnung, presst das Manuskript an den Körper und hält die Hände darüber, als schützte sie ein ungeborenes Kind. Es ist jedoch ein Kreuzotternnest, das an ihrem Bauch ruht. Panik steigt in ihr auf, und eine geraume Weile wälzt sie den Plan, sich in die Welt hinauszubegeben und von der literarischen Bühne des Landes zu verschwinden. Mit den Ressourcen, die sie hat, müsste es möglich sein, in der Ferne und unbemerkt zu leben. Oder werden Babba und der Verlag sie zwingen, das Geld zurückzuzahlen? Das glaubt sie nicht. Die Einkünfte waren für Babba noch nie das Wichtigste. Sie will mich kaputtmachen, denkt sie. Mein Ansehen und mein Leben mit der Akademie. Meinen Ruhm. Die Liebe meiner Leserinnen und Leser. Mich! Das ist es.
    Sie versucht sich ein Dasein in der Ferne vorzustellen, mit den Kontonummern der drei Banken als einziger Rettungsleine. Ein Kloster auf Kreta? Eine Mansarde in Montparnasse. Ein Häuschen auf Mallorca, wo Chopin mit George Sand lebte. Ein Riad mit offenem Dach in Marrakesch und Schlafräumen entlang einer Galerie im ersten Stock. Sie hat mal ein solches Haus besucht und Stoffbahnen gesehen, die vorgezogen werden, wenn es regnet oder die Sonne herunterbrennt. Im Dezember hatte sie gebibbert vor Kälte. Es gab dort nicht mal einen Gasofen. Florida? Taifune. Strände voller Öl.
    Sie will nicht fort, sie ist hier zu Hause. In Stockholm kann sie ins Königliche Dramatische Theater gehen, in der Berwaldhalle Konzerte hören und bei NK einkaufen. In Schweden kann sie Laubwälder aufsuchen mit seltenen Funden wie dem Spießblättrigen Helmkraut und Steinbeerenhybriden, Fjällhänge mit Enzian (wenn sie für ihre
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