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Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition)
Autoren: Joanna Trollope
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unabhängig, ohne richtig zu wissen, wie man das alles schaffen soll. Und sie hat sonst keine Menschenseele.«
    »Rach, ich kann nicht herumlaufen und Studenten retten. Du weißt, dass das nicht geht. Vor allem keine Studentinnen. Man ist ja schon ein alter Perverser, wenn man eine Studentin auch nur ansieht, während man mit ihr redet.«
    Rachel seufzte. »Ich werde sie fragen. Ich mochte sie. Sie ist kein gewöhnliches Mädchen.«
    »Gewiss nicht.«
    »Und dann kannst du sie nach einer Weile zum Vögelbeobachten mitnehmen.«
    Es stellte sich heraus, dass Petra durchaus kochen konnte. Sie hatte noch nie Brot gebacken oder eine helle Sauce gemacht, aber sie wusste etwas mit Chilis und Zitronengras und Fischsauce anzustellen. Sie kannte einige geniale Kniffe, um aus einer billigen Dose Baked Beans etwas wirklich Interessantes und Überraschendes zu machen. Und sie lernte schnell. Sie beobachtete mit der konzentrierten Stille, die Anthony schon im Unterricht aufgefallen war, während Rachel ihr zeigte, wie man mit dem Messer umging. Als sie es selbst probierte, stellte sie sich bemerkenswert geschickt an. Rachel mochte es, mit ihr in der Küche zu sein. Tatsächlich hätte sie Petra gern noch viel öfter in ihrer Küche gehabt, aber Petra musste arbeiten, immer arbeiten.
    »So ist es, wenn man nur den Mindestlohn kriegt«, sagte sie schlicht. »Es geht nicht anders.«
    »Wie hoch ist der Mindestlohn?«, fragte Anthony Rachel.
    »Unter sechs Pfund die Stunde.«
    »Armes Kind.«
    »Ich weiß. Aber sie will es allein schaffen. Sie ist lieber unabhängig.«
    »Wer ist denn diese Petra?«, fragte Edward seinen Vater am Telefon.
    »Was?«
    »Jemand namens Petra. Mum redet andauernd von ihr. Ist sie eine neue Putzfrau?«
    »Eigentlich ist sie eine meiner Studentinnen«, sagte Anthony. »Eine ausgesprochen gute Zeichnerin. Hat keinen roten Heller und keine Familie. Mum hat sie ins Herz geschlossen.«
    »Und du?«
    »Ich möchte nicht schief angesehen werden …«
    »Dad!«
    »Aber ich finde sie großartig. Sie ist ein bisschen sonderbar, aber sehr talentiert. Sie ist erst zwanzig und einfach großartig.«
    »Habt ihr sie zufällig für Ralph im Visier?«
    »Sie haben sich noch gar nicht kennen gelernt.«
    »Weich der Frage nicht aus.«
    »Es ist uns durch den Kopf gegangen, dass sie vielleicht etwas gemeinsam haben könnten«, sagte Anthony. »Ja.«
    »Dann haltet ihr sie also irgendwie in Reserve?«
    »Ich nehme sie mit zum Vögelbeobachten«, sagte Anthony etwas steif.
    »Ah«, meinte Edward warmherzig, während er aus seinem Londoner Büro auf andere Büros blickte. »Minsmere. East Hide in Minsmere. Der Garten Eden.«
    »Genau«, bestätigte Anthony und lächelte ins Telefon. »Ganz genau.«
    Er war mit Petra an einem der seltenen Wochenenden, an denen sie sich einen freien Tag erlaubte, über die lange, bewaldete Einfahrt zum Reservat gefahren. Sie war wie gewohnt schweigsam, nahm die ausladenden Eichen in sich auf, die Paare und Gruppen ernster Vogelbeobachter, den weiten Blick über das Marschland bis hin zur weißen Kuppel des Sizewell-Kraftwerks, die wie ein exotischer Tempel am Horizont aufragte.
    Anthony hatte für sie ein Fernglas ausgeliehen und sie durch das flüsternde Schilf geführt, vorbei an Holzbänken mit Widmungen für ehemals leidenschaftliche Vogelbeobachter – »Er liebte alles Lebendige« – bis zur östlichen Beobachtungshütte, dem East Hide, wo man jetzt im Sommer die Säbelschnäbler mit ihrem schwarzweißen Gefieder sehen konnte, wie sie auf langen grauen Beinen herumstaksten und mit ihrem glänzenden schwarzen, aufwärts gebogenen Schnabel nach Würmern und Insekten bohrten.
    »Säbelschnäbler«, sagte Anthony. »Und später sehen wir vielleicht noch Strandläufer und dunkle Wasserläufer und Uferschnepfen. Wir müssen nichts weiter tun als warten und beobachten. Beobachten und beobachten.«
    Es war der erste von vielen weiteren Besuchen. Sie verbrachten in den folgenden Monaten etliche Stunden im East Hide, suchten die seichte Lagune, The Scrape, mit Ferngläsern ab und balancierten Skizzenbücher auf den breiten Ablagen unter den Fenstern, die, außer wenn es sehr kalt war, immer geöffnet waren, um die Geräusche des seufzenden Schilfs und der Möwen und der nahen See hereinzulassen. Manchmal ließ Anthony Petra allein und machte sich auf zum Beobachtungsposten für die Rohrdommeln, in der Hoffnung, einen kurzen Blick auf die großen gestreiften Vögel zu erhaschen, wie sie durch das
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