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Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition)
Autoren: Joanna Trollope
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hübsch. Sie sieht nicht, nicht sehr organisiert aus.«
    »Okay«, sagte Rachel, während sie das Pesto in eine Tonschüssel füllte, die sie von einem Vogelbeobachtungsurlaub auf Sizilien mitgebracht hatten. »Wenn sie spricht und dir gefällt, wie sie klingt, dann lade sie hierher ein. Ich hätte gern wieder ein paar junge Leute um mich.«
    »Ich weiß.«
    »Erinnerst du dich an das Gedicht? ›Kann das denn noch mein Baby sein?‹«
    »Pam Ayres.«
    »Ja. Genauso fühle ich auch. ›Wo sind nur seine Gummistiefel, die mit den kleinen Froschaugen.‹«
    Einen Monat später sprach Petra. Anthony hatte vor der Klasse betont, wie wichtig es sei, nie einen Radiergummi zu benutzen. »Zeichnen Sie weiter, so schnell, wie der Vogel sich bewegt. Weiche Bleistifte, 4B bis 6B, und Anspitzer sind lebenswichtig, aber kein Radiergummi. Niemals.« Und Petra hatte aufgeblickt und mit einer Stimme, die vermutlich wegen des seltenen Gebrauchs ganz heiser war, gesagt: »Ist der perspektivische Winkel eines Vogelkörpers wichtiger als sein tatsächlicher Umriss?«
    Die ganze Klasse hatte sich zu ihr umgedreht.
    »Wir haben gedacht, du hättest sie nicht alle«, sagte ein Junge zwei Plätze weiter nicht unfreundlich.
    Petra sah unverwandt Anthony an und wartete auf seine Antwort.
    »Ja.«
    Das Mädchen blickte flüchtig zu dem Jungen zwei Plätze weiter und dann zurück zu Anthony. »Das hab ich mir gedacht«, sagte sie und wandte sich wieder ihrer Zeichnung zu.
    Zwei Wochen später fragte Anthony seine Klasse: »Haben Sie vielleicht Lust, mein Atelier zu besichtigen?«
    Es war offensichtlich, dass alle Lust dazu hatten und nicht wussten, wie sie das ausdrücken sollten.
    »Gut«, sagte Anthony und lächelte. »Sie alle?« Sie nickten. Er sah zu Petra. »Sogar Sie?«
    »Ja«, erwiderte sie. Und dann: »Bitte.«
    Sie kamen mit dem Regionalbus, ein bunter Haufen, so exotisch wie eine Truppe Wanderschauspieler aus Shakespeares Zeiten. Petra hatte eine dieser kleinen Gelehrtenbrillen mit Stahlrahmen auf, das Haar fiel lose über einen Paisleyschal fast bis zur Taille, und sie trug eine an den Knöcheln zusammengeraffte lila Haremshose.
    »Ich werde Sie nicht nach Ihren Namen fragen, weil ich sie mir ohnehin nicht merken würde«, sagte Rachel. »Aber ich heiße Rachel und er Anthony, und das sind Scones, die ich gerade gemacht habe, und dies ist ein Schokoladenkuchen. Wie man sieht.«
    Beim Essen wurden sie lockerer. Sie aßen mit der intensiven Konzentration von Babys und wurden allmählich gesprächig. Anthony führte sie ins Atelier, und sie staunten atemlos, bevor sie anfingen, wild durcheinanderzureden und sich gegenseitig auf Dinge aufmerksam zu machen. Rachel fragte Petra: »Gehen Sie manchmal Vögel beobachten?«
    Petra nahm die Brille ab. Ihre Augen hatten einen Grünton mit einem ausgeprägten dunklen Rand um die Iris.
    »Eigentlich nicht.«
    »Das sollten Sie aber«, sagte Rachel. »Anthony hält sehr viel von Ihrem Zeichentalent, aber Sie müssen beobachten, so wie er es tut.«
    Petra nickte.
    »Was ist mit Ihrer Familie? Gibt es da noch jemanden, der zeichnet?«
    Petra räusperte sich. »Ich habe eigentlich keine Familie.«
    »Oh«, sagte Rachel. Sie wartete einen Moment und sagte dann: »Das heißt?«
    »Sie hat sich irgendwie aufgelöst«, sagte Petra.
    »Aufgelöst?«
    »Meine Mutter ist gestorben, und mein Vater ist schon seit einer Ewigkeit weg. Und jetzt ist meine Großmutter nach Kanada gegangen.«
    »Warum denn das?«
    »Weil die meisten ihrer Enkelkinder dort leben, nehme ich an.«
    »Und sie hat Sie ganz allein zurückgelassen?«, erkundigte sich Rachel.
    »Das ist schon okay«, sagte Petra. »Wir haben uns nicht sehr nahe gestanden. Ich habe einen Platz zum Wohnen.«
    Rachel sah sie forschend an.
    »Was machen Sie in Anthonys Kunstunterricht?«
    »Es macht mir Spaß«, antwortete Petra. »Am Wochenende arbeite ich in der Bar eines Fußballclubs und unter der Woche in einem Café, außer am Unterrichtstag.«
    »Wie alt sind Sie?«
    »Zwanzig«, sagte Petra. Sie setzte die Brille wieder auf. »Ist okay. Es geht mir gut. Ich bin es gewohnt, für mich selbst zu sorgen.«
    Später am Abend sagte Rachel zu Anthony: »Ich glaube, wir sollten ihr helfen.«
    »Inwiefern?«
    »Ich werde ihr Kochen beibringen. Du nimmst sie mit zum Vögelbeobachten nach Minsmere.«
    »Rach …«
    »Sie ist ein tapferes Mädchen«, sagte Rachel. »Sie erinnert mich daran, wie ich in diesem Alter gewesen bin, irgendwie dickköpfig und
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