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Schwertgesang

Schwertgesang

Titel: Schwertgesang
Autoren: Bernard Cornwell
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war ein Schiffsführer, ein Krieger und Freund. »Noch nicht«, sagte ich leise, und ich berührte Schlangenhauch und fühlte, wie der Stahl bebte.
    Männerstimmen wurden laut, sorgloses Gelächter drang bis zu uns. Mit lebhaften Rufen drängten sie ihre Gefangenen aufs Schiff. Die Männer zwangen sie, in den Kielraum zu kriechen, in dem das kalte Wasser schwappte, damit das überladene Schiff ohne Schlagseite über die Untiefen fluss-abwärts kam, wo die Temes durch ein felsiges Bett rauschte und nur die besten und kaltblütigsten Schiffsführer die Durchfahrt meistern konnten. Dann stiegen die Krieger mit ihrer Beute an Bord. Mit den Spießen und Kesseln und den metallenen Scharen der Pflüge und Messern und was sich sonst noch verkaufen, einschmelzen oder gebrauchen ließ. Sie lachten grölend. Diese Männer hatten Menschen abgeschlachtet, und sie würden durch ihre Gefangenen reich werden, und sie waren in fröhlicher, unbesorgter Stimmung. Und Schlangenhauch sang leise in seiner Scheide. Ich hörte das dumpfe Poltern von dem anderen Schiff, mit dem die Ruder in ihre Halterungen geschoben wurden. Eine Stimme rief: »Abstoßen!« Der große Schnabel des feindlichen Schiffes, den der bemalte Kopf eines Untiers krönte, drehte sich in den Fluss. Männer drückten Ruderblätter gegen das Ufer, um das Schiff weiter hinauszuschieben. Es bewegte sich, wurde von der Hochwasserströmung in unsere Richtung getragen. Ralla sah mich an.
    »Jetzt«, sagte ich. »Das Seil kappen!«, rief ich, und Cerdic hieb von unserem Bug aus das Ledertau durch, das uns an der Weide gehalten hatte. Wir benutzten nur zwölf Ruder, und sie tauchten nun in den Fluss, während ich zwischen den Ruderbänken hindurch nach vorne ging. »Wir töten sie alle!«, rief ich. »Wir töten sie alle!« »Rudert!«, brüllte Ralla, und die zwölf Männer legten sich gegen die Strömung des Flusses in die Ruder.
    »Wir töten noch den Letzten dieser Bastarde!«, rief ich und stieg auf das kleine Bugpodest, auf dem mein Schild stand. »Tötet sie alle! Tötet sie alle!«
    Ich setzte meinen Helm auf, schob meinen linken Unterarm durch die ledernen Schlaufen des Schildes, hob das schwere Holz an und zog Schlangenhauch aus seiner mit Wollvlies gefütterten Scheide. Mein Schwert sang nicht mehr. Es schrie.
    »Töten!«, rief ich. »Töten, töten, töten!«, und die Ruder tauchten im Takt meiner Rufe ins Wasser. Vor uns schwenkte das feindliche Schiff in die Strömung, weil die überraschten Männer mit dem Ruderschlag ausgesetzt hatten. Sie riefen durcheinander, suchten nach ihren Schilden und kletterten über die Ruderbänke, auf denen ein paar von ihnen immer noch versuchten weiterzurudern. Frauen schrien und Männer stolperten übereinander.
    »Rudert!«, rief Ralla. Unser namenloses Schiff schoss in die Strömung, während der Feind auf uns zu getrieben wurde. Der Kopf des Untiers hatte eine leuchtend rot bemalte Zunge, weiße Augen und Zähne wie Dolchklingen.
    »Jetzt!«, rief ich Cerdic zu, und er schleuderte den Haken an der Kette über die Bugwand des feindlichen Schiffes und zog an der Kette, damit sich der Haken tief in die Schiffsplanke fraß und er das Schiff zu uns heranziehen konnte. »Jetzt tötet sie!«, rief ich und sprang über die Lücke auf das andere Schiff.
    Oh, die Freude, jung zu sein. Achtundzwanzig Jahre alt zu sein, stark zu sein, ein Kriegsherr zu sein. All das ist jetzt vorbei, nur noch die Erinnerung ist übrig, und Erinnerungen verblassen. Aber die Freude ist in meinem Gedächtnis noch lebendig.
    Schlangenhauchs erster Schlag war ein Hieb rückwärts. Ich tat ihn, als ich auf das Bugpodest des feindlichen Schiffes sprang, wo ein Mann versuchte, den Haken aus dem Holz zu zerren, und Schlangenhauch fuhr unter seine Kehle und traf ihn so schnell und kraftvoll, dass der Kopf des Mannes halb abgetrennt wurde. Sein Schädel schnappte zurück, und Blut spritzte hell in den Wintermorgen. Blut spritzte auf mein Gesicht. Ich war der Tod, herabgekommen aus der Dämmerung, der blutüberströmte Tod in Kettenrüstung und schwarzem Umhang und wolfsgekröntem Helm. Jetzt bin ich alt. So alt. Meine Augen werden schlecht, meine Muskeln sind schwach, meine Pisse tröpfelt, meine Knochen schmerzen und ich sitze in der Sonne und schlafe ein, um müde wieder aufzuwachen. Aber ich erinnere mich an diese Kämpfe, diese alten Kämpfe. Meine neueste Frau, das frömmlerischste Stück Weib, das die Menschheit je mit ihrem Gegreine belästigt hat, zuckt
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