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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Er musste sich verhört haben! Zwar war der alte Earl of Leicester vor einigen Monaten kinderlos im Kampf gefallen, doch diese Ehre war mehr als Harold sich jemals in seinen kühnsten Träumen zu erhoffen gewagt hätte. Als er die Verwirrung in den Zügen des jungen Mannes las, verzog Richard Löwenherz den energischen Mund zu einem unbeschwerten Lächeln. »Das dort drüben gehört ebenfalls zu Eurem Ritterschlag«, stellte er beiläufig fest, während die Besucher der Messe sich vor ihm verneigten, als er mit seinem frisch gekürten Vasallen auf einen prachtvollen, pechschwarzen Araberhengst zuschritt. »Die Wahl der Gemahlin hat sich in Eurem Fall wohl schon erledigt.« Herzhaft drosch er dem überwältigten, blutjungen Earl of Huntingdon und Leicester auf den Rücken und ließ ihn mit vor Bewunderung aufgerissenem Mund vor seinem neuen Schlachtross stehen. Irgendwann würde er den Weg zu dem zu seinen Ehren in der Nähe des Strandes stattfindenden Bankett schon finden.
     
     
    Grafschaft Huntingdon, September 1191
     
    Immer und immer wieder fraßen sich die mit kleinen Knötchen besetzten Riemen der Geißel in den blutigen Rücken des halbwüchsigen Knaben, der im Kerker der Festung von Nottingham halb besinnungslos in den Ketten hing, die ihm die Arme über den Kopf fesselten. Sein linkes Auge war so zugeschwollen, dass die Haut unter der Braue aufgeplatzt war, und aus der mehrfach gebrochenen Nase rannen zwei dunkle Blutbäche auf die nackte Brust des Jungen hinab. Eines seiner Knie schien zerschmettert, und von seinem linken Ohr fehlte mehr als die Hälfte. Der flachsblonde Schopf des Burschen hatte eine dunkle Tönung angenommen, da er aus mehreren tiefen Schnittwunden auf der Kopfhaut blutete. »Ich frage dich noch einmal«, sagte der Sheriff von Nottingham dicht am Ohr des mühsam atmenden Jungen. »Wo ist Robin of Loxley?« Guillaumes Männer hatten den Bengel in einem abgeernteten Weizenfeld aufgegriffen, wo er – anstatt fortzulaufen und sich zu verbergen, wie es die anderen Bauernlümmel klugerweise handhabten – der Abordnung königlicher Reiter, die Prinz John von London als Verstärkung ausgesandt hatte, mit allzu viel Neugier nachgeblickt hatte. Daraus hatte Guillaume of Huntingdon, der mit seinen Männern auf dem Weg nach Nottingham Castle gewesen war, geschlossen, dass er zur Bande der Vogelfreien gehörte, oder zumindest wusste, wo diese sich aufhielten. Seit Monaten machten diese Verbrecher die Straßen und Wälder unsicher, sodass die in England zurückgebliebenen Adeligen sich kaum mehr ohne starke Eskorten vor die Tore ihrer Burgen und Festungen wagten.
    »Ich weiß es nicht«, presste der vor Schmerzen zitternde Sohn eines Leibeigenen zum wohl zwanzigsten Mal hervor. Woraufhin der Sheriff ungeduldig abwinkte und sich an den Schergen wandte, der bereits wieder die Peitsche gehoben hatte, um mit seinem grausigen Werk fortzufahren. »Versucht es noch eine Weile«, knurrte der schwarzhaarige Vertraute Prinz Johns mit einem grimmigen Ausdruck auf den Zügen. »Wenn er dann immer noch nicht redet, hängt ihn auf!« Mit diesem Befehl wandte er dem Mann den Rücken und trat auf Guillaume zu, auf dessen kostbar besticktem Surkot trotz seiner kaum sechzehn Jahre bereits ein beachtliches Doppelkinn lag. Gerüchten zufolge hatte der zweite Sohn des Earls of Huntingdon bei dem Reitunfall nachgeholfen, der seinen Vater das Leben gekostet hatte. Doch aufgrund der hervorragenden Verbindungen seiner Mutter, wagte es niemand, den Junker zu verdächtigen. »Wir sollten zusehen, dass wir diese Brut ein für alle Mal auslöschen«, stellte der Sheriff auf dem Weg die steile Treppe in den Hof hinauf fest, und Guillaume nickte abwesend. Die Zeit drängte. Den Berichten aus dem Heiligen Land zufolge stand das Kreuzfahrerheer kurz davor, Jerusalem anzugreifen. Und wenn ihm das Schicksal nicht den Gefallen tat, seinen Bruder in diesem Krieg aus dem Weg zu schaffen, dann musste er langsam beginnen, sich über dessen Rückkehr Gedanken zu machen. Er hatte sich einen wunderbaren Plan zurechtgelegt, wie er den Älteren abzuspeisen gedachte. Aber wenn es hart auf hart kam, würde er nicht davor zurückschrecken, auch Harolds Tod zu beschleunigen.
     
     
    Jaffa, November 1191
     
    »Es ist doch wie verhext!«, schimpfte Löwenherz, der nach den dicht aufeinanderfolgenden Hiobsbotschaften der vergangenen Tage seinen Kronrat zusammengerufen hatte, um zu beraten, wie das weitere Tun der Kreuzfahrer aussehen sollte.
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