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Schwere Wetter

Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter
Autoren: Hannes Nygaard
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überrascht über den lebhaften Verkehr,
der hier herrschte. Es ging nur mäßig auf der Straße voran, deren Fahrbahnen
durch einen mit Granit gepflasterten Mittelstreifen getrennt waren. Zur Rechten
lag das große Areal der Carlshütte, die der Gründer Holler nach seinem Förderer,
dem Gouverneur von Schleswig-Holstein, benannt hatte und deren Geschichte nach
einhundertsechzig Jahren zum Ausgang des letzten Jahrhunderts mit der Insolvenz
endete. Heute präsentierten auf einem Teil des Geländes zeitgenössische
Künstler in der viel beachteten Ausstellung »NordArt« ihre Werke.
    Nach fast einem
Kilometer bog Lüder in die Ulmenstraße ab. Ältere Mehrfamilienhäuser im für
Norddeutschland typischen Rotklinker säumten die Straße, die am Ende nach links
abknickte. Kurz darauf hatte er sein Ziel erreicht. In aufgelockerter Bauweise,
von großzügigem Grün umgeben, lagen hier mehrere Wohnblocks. Die Straße war
nach dem Dichter und Schriftsteller Gorch Fock benannt, der auch Namenspatron
für das Segelschulschiff der Bundesmarine war.
    Ein wuchtiger,
weit ausladender Nadelbaum stand vor dem Gebäude und lenkte ein wenig von den
Müllbehältern ab, die nur unzureichend von einem Flechtzaun verborgen wurden
und das ansonsten gepflegte Bild der Anlage störten.
    Lüder hielt neben
dem Kombi der Spurensicherung, der auf dem Parkstreifen gegenüber Platz
gefunden hatte. Er lächelte über eine einsam stehende Stele mit einem Telefon,
an dem der magentafarbene Hörer leuchtete. Die Stele stand allein auf weiter
Flur, ohne umschließende Zelle, nicht einmal ein kurzes Dach schützte vor dem
Wetter.
    Er traf die beiden
Beamten in der Wohnung an.
    » LKA ?« Die Frage des jüngeren Spurensicherers im weißen
Ganzkörperschutzanzug wurde durch ein die Geringschätzung ausdrückendes
Schnauben unterstrichen. »Was will ›das Amt‹ hier?«
    »›Das Amt‹«, äffte
Lüder den Beamten nach, »ist die Hochleistungszentrale zur
Kriminalitätsbekämpfung.« Lüder nutzte eine Formulierung, die nicht von jedem
seiner Kollegen geschätzt wurde. »Haben Sie schon etwas entdeckt?«
    Der Mann ließ als
Antwort seinen Kopf kreisen, als würde er eine gymnastische Übung ausführen.
»Wonach sollten wir suchen?«
    Lüder wandte sich
an den älteren Beamten, der dem Dialog stumm gefolgt war. »Ihr Lehrling da«,
jetzt wies Lüder mit dem Kopf auf den jüngeren Beamten, »scheint noch neu im
Geschäft zu sein. Plaudern wir unter Erwachsenen.«
    »Von wegen
Lehrling«, beklagte sich der Erste, zog sich dann aber in einen anderen Raum
zurück.
    »Es ist schwierig,
Spuren, die wir nicht kennen, zu sichern. Wie eine typische Studentenbude sieht
es nicht aus.«
    Lüder sah sich um.
Die Einrichtung wirkte altbacken, so als hätte Dustin McCormick die kleine
Zwei-Zimmer-Wohnung möbliert gemietet. Junge Leute pflegten sich anders
einzurichten, selbst wenn sie als Studenten nur über begrenzte Mittel verfügten.
Hier hatten zuvor andere Mieter gehaust. Im Wohnzimmer dominierte ein
Buffetschrank in dunkler Nussbaumnachbildung. So etwas mochte vor vierzig
Jahren vielleicht nicht chic, aber aktuell gewesen sein. Die Sitzgruppe aus
dunkelgrünem Stoff wies deutliche Gebrauchsspuren auf und war zerschlissen. An
der Wand stand ein Tisch mit zwei Stühlen, der als Ess- und Arbeitsplatz
diente. Darauf deuteten der Collegeblock, ein Kugelschreiber, vor allem aber
die beiden topmodernen Notebooks hin.
    »Der Schreibblock
ist unbenutzt«, erklärte der Spurensicherer. »Die Notebooks haben wir uns noch
nicht angesehen. Merkwürdig erscheint mir, dass wir keine Studienunterlagen
gefunden haben, keine Fachbücher, Datenträger oder sonst was. Was soll er
studiert haben?«
    »Informatik«, half
Lüder nach.
    »Dann sollte man
doch erwarten, in seiner Unterkunft etwas zu finden, was im Zusammenhang mit
dem Studium steht. Aber nix. Auch keine anderen Bücher. Nebenan im Schlafzimmer
stehen in einem Regal eine Handvoll deutscher Bücher. Konsalik, Simmel, Willi
Heinrich, Kishon. Leichte Unterhaltung, aber schon lange nicht mehr aktuell.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein Amerikaner damit
auseinandersetzt.«
    »Und sonst?«
    »Persönliche
Ausstattung, Toilettenartikel, kaum Lebensmittel.«
    »Hinweis auf
Besuch? Eine Frau?«
    »Nee. Keine
Anzeichen. Was aber merkwürdig ist, das sind die Ladegeräte für mehrere Handys.
Dies hier«, er zeigte Lüder ein weißes Kabel, »ist ziemlich neu. Ein iPhone.
Dazu passt auch die Dockingstation für die
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