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Schwere Wetter

Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter
Autoren: Hannes Nygaard
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Lüder. Die Art der Tatausführung
sollte möglicherweise ein Hinweis sein. Eine Warnung? Ein Zeichen?
    In der
Zwischenzeit hatten sie den Kanal überquert und waren auf der Rendsburger Seite
angekommen.
    Lüder sah dem
Containerschiff nach, dass querab seine Bahn Richtung Brunsbüttel zog. Für
einen Laien sah es gewaltig aus, was sich das Schiff an Kästen aufgeladen
hatte. Es mussten mehrere hundert, wenn nicht gar tausend Container sein. Und
dennoch war dieser schwimmende Koloss nur ein sogenanntes Feederschiff, ein
Zubringer, der die Container in den Häfen der Ostsee einsammelte und nach
Hamburg brachte, wo sie auf weitaus größere Schiffe verladen und in alle Welt
verbracht wurden.
    »Sieht gewaltig
aus, was?«, erriet Thomsen Lüders Gedanken. »Wenn aber nicht bald was
geschieht, dürften die Verkehre bald der Vergangenheit angehören. Die Schleusen
an den Kanalenden sind marode und müssen dringend erneuert werden. Sie werden
nur noch als Provisorium aufrechterhalten. Wenn der Kanal nicht grundsaniert
und vertieft wird, ist er bald ein exklusives Paradies für Wassersportler.
Ähnliches gilt für die Elbe.«
    Lüder verzichtete
auf eine Antwort. Der Mann hatte recht, aber eine Diskussion hätte sie nicht
weitergebracht. Lüder war der falsche Ansprechpartner. Er konnte sich auch
nicht vorstellen, dass dieser seltsame Mord aus einem Motiv heraus geschehen
war, das in der Verkehrspolitik begründet lag.
    Sie verließen die
Fähre, und Lüder folgte Thomsen, der eine Absperrkette löste, sich durch ein
Geländer zwängte, über eine Wiese ging und Lüder zur Unterseite der Fähre
führte, die hier über Land parkte.
    »Dort.« Thomsen
zeigte auf die hinterste von vier roten Rettungsinseln dieser Seite. »Daran war
das Seil befestigt.«
    »Das wird nicht
kameraüberwacht?«, fragte Lüder.
    »Dies nicht«,
erwiderte Thomsen. »Oben im Leitstand ist ein Monitor, auf dem der
Fährmaschinist die Laderampen und das Deck beobachten kann. Er hat damit auch
Einblick in die Ecken, die er von seiner Position sonst nicht sehen könnte. Die
Kameras dienen aber nur der besseren Übersicht. Es wird nichts aufgezeichnet.«
    »Das heißt, hier
unten wird nichts überwacht?«
    »Doch«, entgegnete
Thomsen. »Vor Dienstantritt, also vor Beginn der ersten Fahrt, kontrolliert der
Kollege von der Frühschicht die Rettungsmittel. Das ist vorgeschriebene
Routine. Die Mitarbeiter sind zuverlässig. Sie können sich darauf verlassen,
dass das auch gemacht wird.«
    »Dann müsste der
Mann doch das Seil entdeckt haben«, überlegte Lüder.
    Thomsen schüttelte
den Kopf. »Nicht unbedingt. Sehen Sie. Das Ganze geschieht drüben auf der südlichen
Seite, in Osterrönfeld. Dort unten zwischen den mächtigen Fundamenten für die
Brücke«, dabei zeigte er auf die leicht angeschrägten gewaltigen Klötze aus
schweren Felssteinen, die als Träger für die Pfeiler dienten, die in
schwindelnder Höhe das über einhundert Meter lange Mittelstück der
Eisenbahnbrücke trugen. »Da ist es so finster, da kann Ihnen ein dunkles Seil
entgehen. Es gibt da unten keine Beleuchtung. Lediglich den Schein der
Taschenlampe. Und der Mitarbeiter konzentriert sich auf die Rettungsinseln und
prüft, ob die vorschriftsmäßig vorhanden sind.«
    Thomsen mochte
recht haben, dachte Lüder. Niemand konnte erwarten, dass in dieser Dunkelheit
der Fährmann die Umgebung rund um die Schwebefähre absuchen würde, um nach
potenziellen Mordopfern Ausschau zu halten.
     
    Er dankte Thomsen
für die Unterstützung, reihte sich in die Warteschlange ein und fuhr mit der
übernächsten Fähre ans nördliche Ufer. Telefonisch ließ er sich die Anschrift
des Opfers durchgeben.
     
    Der BMW rumpelte über das Kopfsteinpflaster der Straße, die
sich zwischen Schuppen und Gewerbebetrieben langzog. Er musste halten, als ein
großer Silosattelschlepper umständlich rangierte und dafür die gesamte Fahrbahn
in Anspruch nahm. Überhaupt schien das Areal den Lastwagen zu gehören. Nach einem
halben Kilometer bog Lüder ab, fuhr am Kreishaus vorbei und folgte der Straße
bis zum Altstadtring. Auf der rechten Seite versteckte sich der Bahnhof hinter
einem Flachbau. Über eine Hochstraße führte der Weg um die kleine, aber
reizvolle Rendsburger Innenstadt herum und kurz darauf, am Ende des
Obereiderhafens, bog er in die Straße Richtung Büdelsdorf ab.
    Die beiden Städte
waren miteinander verwachsen, und nur wer aufmerksam das gelbe Ortsschild
suchte, erkannte den Übergang. Lüder war
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