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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman
Autoren: Petra Busch
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Runden im Kreis. Er ist leicht wie eine Pusteblume.
    Sie ruft: »Warte, Bruno! Wohin willst du denn? Du musst noch ein paar Wochen warten, wenn ich ein Wettrennen mit dir veranstalten soll.«
    Das Rennen wird nicht an diesem Ort stattfinden. Er weiß das. Er ist klug. Sie wird wieder fortgehen. Dann wird sie nie wiederkommen. Aber das ist nicht so schlimm. Denn er ist auch nicht mehr ständig hier. Er hat ein zweites Paradies. In dem darf er sagen, wie alles abläuft. Das ist in der Nähe von Freiburg. In Emmendingen. In einem großen Park mit vielen alten Häusern. Dort sind viele Komischs und noch viel mehr Halbkomischs, und manche sind fast gar nicht komisch.
    Bruno-Teufel muss auch nicht mehr hinter die Stäbe. Der Käfig ist jetzt offen. Am Anfang haben sie ihn wieder eingesperrt, wie vor dem Schnee. Aber er kann sich nicht genau daran erinnern. Sie haben ihn gepikst, ein paar Mal. Dann hat er gebrüllt, doch das hat nichts genützt. Einmal, nach dem Piks, ist ein Ganzweiß mit ihm durch den Park gegangen. Da hat er das andere Paradies gesehen. Von da an war er immer ganz ruhig, damit er in das neue Paradies durfte, und sie haben ihn nicht mehr gepikst. Und irgendwann haben sie die Tür aufgemacht.
    Drei Mal ist der Gesternfreund gekommen. Larsson. Sie haben sich unterhalten. Alraune und Bruno-Teufel. Nachtschattengewächse. Wenn der Gesternfreund da ist, fließen die Wörter leicht aus seinem Mund. Ganz von allein. Der Gesternfreund schaut wieder mal rein, hat er gesagt. Er ist jetzt ein Reinschaufreund. Er schaut in Bruno rein, das kann sonst niemand, nur ein kluger Freund. Ein anderer Teufel.
    Bruno hat ihm auch die Gewächshäuser gezeigt. Im neuen Paradies gibt es viele davon, in vielen Farben. Ein rotes, das ist für Herbstblumen. In dem grünen hat er Endivie und Chicorée und Rapunzel gesetzt, in Kreisen. Salate passen zu dem Grün der Streben, das ist seidig und schreit nicht.
    Er soll den anderen zeigen, was man wohin pflanzt und wie es gut wächst. Er ist ein Soll in Emmendingen. Kein Sollnicht. Das ist gut. Alle pflanzen jetzt Kreise. Auch das ist gut.
    Sein Lieblingsgewächshaus ist das gelbe. Es steht auf der Südseite und ist schon ganz ausgebleicht. Es hat dieselbe Farbe wie
ihre
Haare. Innen wachsen goldene Trollblumen und Zwergmummeln, und dazwischen ist alles voller Märzenbecher.
    Er bleibt stehen und wartet, bis ihre Füße in dem frischen Moos neben seinen stehen. Sie sind viel kleiner, das fällt ihm auf. Dann strengt er sich ganz arg an und sieht ihr kurz ins Gesicht.
    Bruno soll Gesichter lernen und was sie ausdrücken, hat ein Ganzweiß zu ihm gesagt. Er versucht es. Er gehorcht immer. Das kennt er nicht anders. Aber es ist schwer. Wenn er Gesichter lernt, sitzt er in einem hellen Zimmer, und ein Ganzweiß ist in seiner Nähe. Der darf ihm nie zu nahe kommen, sonst überfallen ihn die Schmerzen wieder, überall an seinem Körper. Der Ganzweiß zeigt ihm Bilder auf einem rechteckigen flimmernden Ding. Gesichter, auf denen die Mundwinkel nach oben deuten. Oder nach unten. Oder eine Stirn, die in der Mitte zusammengezogen ist. Dann erklärt der Ganzweiß ihm, was das bedeutet in der Sprache der Komischs. Freude. Trauer. Wut und Hass. Bruno kann das lernen. Er ist klug. Aber er weiß nicht, wozu es gut sein soll. Er bemüht sich und erkennt schon ganz viel richtig. Denn hinterher darf er ins Paradies.
    »Bruno«, sagt sie jetzt. »Was ist, warum schaust du so?«
    Seine Arme schnellen in die Höhe. Er hat es richtig erkannt! Kluger Bruno-Teufel. Sie ist überrascht. Dann zieht ein Komisch die Augenbrauen hoch. Er versucht, sie nachzumachen, weil er selber überrascht ist. Sie lacht. Er geht weiter.
    Die Mutter, die Drosera, hat ihm ein neues Mofa geschenkt. Mit dem fährt er immer hin und her. Paradies eins. Paradies zwei. Es fährt schnell, das neue Mofa. Viel schneller als das alte. Sie will, dass er oft zu ihr kommt. Aber das erste Paradies ist nur noch ein Halbparadies. Zuerst hat ihn dieser Zorn überfallen, und er hat gewütet, als er es so gefunden hat. Alle Kreise waren zerstört und alle Pflanzenfreunde tot. Er hat sich gar nicht mehr beruhigen können, und sie haben ihn ins zweite Paradies zurückgefahren.
    Manchmal, wenn er hier ist und die Drosera ihre klebrigen Tentakel nach ihm ausstreckt, flieht er in das zweite Paradies. Oder nach Freiburg. Das ist da, wo er seine Bücher immer gekauft hat. Er kennt sich aus.
Bruno-Teufel.
    Er hüpft so lange, bis sie ihn wieder eingeholt
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