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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman
Autoren: Petra Busch
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Wäscheschleuder geraten ist«, sagte Hanna.
    Ehrlinspiel setzte sich zu ihr. Auch sie wirkte kraftlos, war ungeschminkt und hatte dunkle Ringe unter den Augen. »Kein Wunder.« Seine Stimmbänder fühlten sich an wie eine ausgetrocknete Sandbank. »Er war so betrunken heute Nacht, dass er erst jetzt langsam realisiert, was passiert ist. Falls er nicht durchgesoffen hat.« Er sah Hanna Brock an. »Sie haben Sina das Leben gerettet.«
    Vor ihm tauchte die Szene auf, wie er die Redakteurin gefunden hatte, nachdem Polizei- und Rettungshubschrauber eingetroffen waren.
    Barfuß im Schnee, damit sie nicht abrutschte, war sie ein Stück die Felsen hinuntergeklettert, so nahe zu Sina heran wie möglich. Ganz erreichen können hatte sie die Schwerverletzte nicht. Sina hatte sich an einem der schwachen dünnen Bäume festgeklammert, die sich mit ungeheuerlicher Kraft aus einer der Felsspalten geschoben hatten und dort ihr karges Dasein fristeten. Mit einem Fuß hatte sie auf einem winzigen Vorsprung Halt gefunden. So hatte Sina ausgeharrt, mit zerschlagenen Knochen, Gehirnerschütterung und inneren Verletzungen, und Hanna hatte sie nicht eine Sekunde ohne Ansprache gelassen, ihr befohlen, verdammt noch mal nicht aufzugeben, bei Bewusstsein zu bleiben und ja den verfluchten Ast nicht loszulassen.
    Es hatte fast fünfundvierzig Minuten gedauert, Sina zu bergen und notärztlich zu versorgen.
    Hanna schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Eben habe ich mit der Uniklinik telefoniert. Es sieht nicht gut aus.«
    Ehrlinspiel fühlte sich plötzlich tieftraurig. Er hatte Sina hart angefasst. Und jetzt sollte er nicht einmal die Möglichkeit haben, sich dafür zu entschuldigen? Er presste die Lippen aufeinander.
    »David Lavie ist bei ihr«, sagte Hanna. »Er hat sich als ihr Ehemann ausgegeben.« Für eine Sekunde schlich sich ein Schmunzeln auf ihr Gesicht.
    »Woher weiß er –«
    »Von mir. Einer muss sich doch um sie kümmern, wenn wir weg sind.« Schuldbewusst blickte sie auf. »Es war nicht schwer, seine Nummer herrauszukriegen, jeder hätte ihn anrufen können. Ich –« Verzagt hob sie die Hände.
    »Das ist völlig in Ordnung.« Er legte kurz seine Hand auf ihre. »Ich hätte ihn auch angerufen.«
    »Jetzt wäre sie endlich frei, innerlich und finanziell, sie könnte zu ihm gehen, und nun …« Sie schneuzte sich.
    »Wir müssen abwarten. Sina hat schon so viel geschafft.« Er schwieg. »Wäre sie bloß nicht zum Sommerhof gegangen, sondern zu mir gekommen.«
    Hanna Brock verzog skeptisch den Mund. »Sie haben ihr nicht gerade Vertrauen eingeflößt. Es war nur logisch, dass sie in ihrer Verzweiflung dort Rat suchen wollte, wo sie sich früher verstanden gefühlt hat. Bei Joseph. Der auch eine Tochter verloren hat.«
    »Bloß dass sie auf Hermann getroffen ist statt auf den alten Sommer.«
    »Mir geht das Bild nicht aus dem Sinn, wie er den Kopf auf das Moos gelegt hat, auf das Elisabeth gebettet war. Er wird vollends verzweifeln. Die Tochter tot, ein Sohn ihr Mörder, der andere in der Psychiatrie.«
    »Elisabeth und ihr Vater müssen wirklich sehr aneinander gehangen haben früher. Und sie hat ihn geliebt. ›In Liebe‹, so stand es zumindest auf der Karte aus Berlin, die sie an ihn geschickt hat, um ihm ihr Kommen anzukündigen.« Vorn war ein Stück der ehemaligen Mauer abgebildet gewesen. War das als Symbol gemeint gewesen? Mauern einreißen? Sie würden es nie erfahren. Wenigstens hatte sich der Inzest-Verdacht zerschlagen, und so hatte Elisabeth in ihrem Vater einen ehrlichen Verbündeten gehabt.
    Er musterte Hannas blasse Wangen und ihre aufgesprungenen Lippen. »Und wie geht es Ihnen?«
    Sie blickte aus dem Fenster. Erneut hatte Schneefall eingesetzt. »Als Bruno plötzlich vor mir stand, da dachte ich … ich dachte … Ich habe nichts mehr verstanden.« Sie schüttelte den Kopf. »Hermann wollte Sina töten, das hatte ich eben mit eigenen Ohren gehört. Und dann plötzlich Bruno. Einen Moment habe ich geglaubt, dass es zwei Mörder gibt und dass ich das nächste Opfer bin. Dann habe ich die Blumen in seiner Hand gesehen.«
    »Rosa Osiria.«
    »Ja. Und er sagte pausenlos: ›O Si na, o si ri a.‹« Sie ahmte Brunos hohe, abgehackte Sprechweise nach. »Wie ein Hund, der mir etwas mitteilen will, aber nur bellen kann. Dann ist er losgetrabt zu dem Aufgang, ich bin hinterher, er hat immer auf mich gewartet …«
    »Und dann haben Sie uns gesehen.«
    »Ich war so froh«, sagte sie leise.
    Ehrlinspiel war seltsam
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