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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman
Autoren: Petra Busch
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Geflügelschere«, krächzte sie auf einmal drohend, »die bringen Sie mir zurück, junger Mann!«
    Ehrlinspiel war platt. Sie hatte seinen Diebstahl wirklich bemerkt.
    »Bratkartoffeln mit Hähnchen«, sagte er und lachte. »Sie kriegen die Schere zurück. Ehrenwort.«
    »Ehrenwort«, wiederholte sie zynisch und wackelte mit dem Kopf. »Bruno ist ein feiner Kerl. Sie hätten mir glauben sollen. Und gegen Ihre Erkältung haben Sie auch nichts getan.« Sie schob das Rad mit kleinen Schritten davon, Richtung Schwarzengrund, als interessiere sie das alles nicht mehr. »Ich kaufe mir keinen Wintermantel mehr …«, murmelte sie und begann ein Zwiegespräch mit Egon.
    »Ja.« Er senkte zum Zeichen seiner Schuld den Kopf, obwohl sie sich nicht mehr umdrehte, und blickte dann ihrem krummen Rücken hinterher, der langsam im Schnee verschwand.
    Hanna rieb sich die Oberarme. »Alles in Ordnung?«, rief sie.
    Er bejahte und ging zu den Wagen zurück. »Bis auf ein paar Gespenster.«
    »Die beherbergen wir wohl alle manchmal.« Sie suchte seinen Blick. »Besuchen Sie Sina im Krankenhaus?«
    »Das werde ich«, versprach er.
    »Grüßen Sie sie von mir«, sagte sie leise. »Und sagen Sie ihr, dass ich an sie denke und mich melde.«
    Er nickte und sah sie an, als ein Traktor durch die Kirchstraße rumpelte, auf dem Anhänger silberne Milchkannen. Ehrlinspiel erkannte den blonden Klotz auf dem Fahrersitz. Irgendwo schrie ein Schwein, ein Hund antwortete aufgeregt. Der Landwirt hob die Hand.
    Das Leben geht weiter.
    Mit dem Handrücken strich er flüchtig über Hannas Wange. Dann stieg er in sein Auto. »Gute Reise«, sagte er.
    Als er die tiefverschneiten und noch unberührten Straßen entlangkroch und die weißen Wälder still an ihm vorüberzogen, machte sich schwere Müdigkeit in ihm breit. Und ein bisschen Freude. Zuversicht. Darüber, dass er endlich seine Geschichte jemandem offenbart hatte. Dass er nicht verurteilt worden war. Und darüber, dass er bald zu Hause in seinem Bett liegen würde.

[home]
Epilog
    Sieben Monate später,
Frühsommer
    D ie Sonne steht hoch über den Tannen. Es ist warm, jedes Grad dringt durch seine Poren tief unter die Haut. Das kitzelt ihn.
    Er sieht sich um.
Sie
geht langsam. Es duftet nach wildem Oregano und Wiesenkerbel, leuchtend hellgrün lagern sich die Geruchsmoleküle in den Rezeptoren seiner Riechschleimhäute an. In den Wiesen summen Bienen. Sie brummen so laut, dass er seine eigenen Worte nicht versteht: »Ein Pflänzelein, mein Kindchen fein, das setzen wir im Garten ein.«
    Alles läuft rund.
    Er geht auf den Wald zu. Gleich erreichen sie den Trampelpfad. Dann sind es noch achtzehn Buchen. Dann quer durch das Feld mit den Farnen. Über den Bach. Durch die dichten Tannen. Links. Vorbei am großblütigen Fingerhut. Bald sind sie da.
    Er muss auf sie warten. Auf den Märzenbecher. Sein Sommertürchen. Aber er darf nicht zu lange zögern. Die Räder laufen nicht immer so glatt wie heute. Bald knirschen sie wieder, das weiß er, und dann zerbricht etwas, und die Scherben bohren sich in seinen Kopf. Dann hat er keine Zeit mehr, um ihr alles zu zeigen. Um ihr
Erlösung
und
Segen
zu bringen.
    Vor zwei Tagen ist
sie
zurückgekommen.
    Er hat sie beobachtet, hat unter dem alten Kirschbaum in ihrem Garten gekauert, hinter der zerfallenen Bank. Als er sie gesehen hat, ist er gehüpft und gewachsen, bis in den Himmel, seine Arme waren leichte Blätter, die Beine elastische Wurzeln, sein Körper der Stiel. Seine Blutadern haben sich gedehnt, sie waren die Nervatur der Blätter, und er ist immer größer geworden, bis er die ganze Welt gesehen hat und den ganzen Himmel, sein Kopf hat geglüht, und er hat aufpassen müssen, dass er sich nicht verbrennt an der Sonne.
    Er hat so lange gewartet.
    Da ist er schnell zu Bertha getrabt und hat es ihr erzählt. Egon hat es auch gehört, denn sie liegen jetzt nebeneinander, sie sind Freunde, und die blauen Kornblumen haben sich seit dem Frühjahr über das ganze Grab ausgebreitet. Das gefällt ihm.
    Abends hat er dann in Sinas Fenster gesehen. Sie war nicht allein. Ein Komisch war bei ihr. Den kennt er, der war vor dem Schnee manchmal im Laden. David. Er hat Sina lange berührt. Sie sind jetzt Freunde. Dann hat der Komisch leere Kisten aus dem Auto in Sinas Haus getragen. Sie haben alles eingepackt. So wie er seine Pflanzen manchmal in Kisten packt. So wie er es mit Felix und mit Liss’ Baby gemacht hat.
    Er springt vollends zum Wald und trabt dort ein paar
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