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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman
Autoren: Petra Busch
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und Wollwesten oder dicke Pullover. Ehrlinspiel schätzte das Durchschnittsalter auf fünfzig bis sechzig, doch es waren auch ein paar junge Burschen darunter. Hatten sie ihn vorhin noch unverhohlen angestarrt, so schien er jetzt überhaupt nicht zu existieren.
Es brodelt. Ein Kessel aus Misstrauen unter stiller Oberfläche.
    Er ließ seinen Blick durch den weitläufigen Raum schweifen. Dunkle Balken trugen die niedrige Decke, in einer Ecke spendete ein Kamin Wärme. An den Wänden hing neben hölzernen Heugabeln und einer Sense eine Reihe vergilbter Schwarzweißaufnahmen. Sie zeigten das Gebäude während des Umbaus von einem Stall zum Gasthaus, Menschen in Kostümen und lachende Bauern mit riesigen Holzfässern neben geschmückten Tischen. Fastnacht und Dorffeste, typisch Hinterland, dachte Ehrlinspiel. Eigentlich recht heimelig, die
Heugabel
.
    Er wandte sich an den Wirt. »Haben Sie nun ein freies Zimmer?«
    »Vielleicht.«
    »Wir brauchen keine Polizei hier!«, rief jemand und erntete von mehreren Seiten Zustimmung.
    Ehrlinspiel zog seinen Mantel aus und legte ihn über einen Barhocker. Das Brodeln drang an die Oberfläche. Er ging auf die Menge zu. »Das trifft sich gut, meine Herren. Dann wissen Sie ja sicher schon, wer Frau Kühn umgebracht hat, und können mir mit seinem Namen weiterhelfen?« Er sah einen nach dem anderen an.
    »Ja?« Er fixierte einen dünnen Kerl, der an ausgeleierten Hosenträgern herumfummelte. »Oder Sie«, fragte er einen vollbärtigen Alten, »wollen Sie vielleicht dafür sorgen, dass der Fall schnell aufgeklärt wird und wir hier wieder abziehen?«
    Wieder erhob sich ein Raunen.
    »Hau’n Sie ab!«
    »Genau. Wir wissen selbst, was zu tun ist.«
    »Ja, lassen Sie uns in Frieden!«
    Ein Stuhl wurde nach hinten geschoben und kippte um, ein zweiter schrammte über den Boden.
    »Ihr Pils ist fertig«, sagte der Wirt laut. »Kommen Sie her und setzen sich hin, verdammt.«
    Ehrlinspiel tat, wie ihm geheißen.
    Der Wirt funkelte ihn aus Schweinsäuglein an. »Idiot!«
    Der Hauptkommissar umfasste den Bierkrug. Er hatte die Situation unterschätzt. Ohne Partner im Dienst sollte man sich nicht mit einer eingeschworenen Dorfgemeinschaft anlegen.
    »Was ist also mit dem Zimmer?«, fragte er nach.
    Eine Gruppe Gäste verließ die Kneipe. »Schreib’s an.« Der Wirt nickte ihnen zu. Nach einigen Minuten gingen die Nächsten.
    »Sie sollten vorsichtig sein«, sagte er zu Ehrlinspiel.
    »Das Zimmer?«
    Der Wirt schob ihm einen Schlüssel hin. »Ich mochte Elisabeth.«
    Ehrlinspiel musterte ihn. Er senkte die Stimme. »Und wer mochte sie nicht?«
    »Haben Sie Hunger?« Die Männer taxierten sich schweigend.
    »Sehr«, sagte Ehrlinspiel schließlich.
    Erst jetzt merkte er, dass sein Magen knurrte. Außer einem Käsebrötchen am frühen Morgen hatte er noch nichts gegessen. Das war untypisch für ihn. Er liebte regelmäßige Mahlzeiten und versuchte, durch sie einen gesunden Rhythmus in sein Leben zu bringen. Er war beileibe kein Gesundheitsfanatiker, aber ein bisschen konnte man ja schon auf sich achtgeben. Außerdem wollte er nicht wie einer dieser depressiven Fernsehkommissare enden, die nie Zeit zum Essen fanden, zu Hause allerhöchstens eine vergammelte Pizza im Kühlschrank beherbergten und sich morgens entweder ausgehungert oder mit Magenkrämpfen zum Dienst schleppten. Freitag amüsierte sich regelmäßig darüber und hielt in seinem Schreibtisch stets zwei Tafeln Schokolade für den Notfall parat. Die ersetzten so manches Mal das Mittagessen, wenn die beiden zu einem Einsatz mussten. Ehrlinspiel schmunzelte. Gut, dass er alles in sich hineinstopfen konnte. Seine Waage zeigte nie ein Gramm zu viel, und seine schlanke Figur kam bei den Frauen gut an. Allerdings würde ihm das hier nicht viel nützen.
    »Elisabeth hat doch auch hier gewohnt«, begann er, als wenig später ein Braten mit dunkler Soße und Kartoffeln vor ihm dampfte.
    Der Wirt warf einen Blick auf die verbliebenen Gäste, nahm Salz und Pfeffer aus einem Schrank und blieb gegenüber von Ehrlinspiel stehen.
    »Warum hat sie nicht bei ihrer Familie übernachtet?« Der Hauptkommissar schnitt ein großes Stück Fleisch ab.
    »Haben Sie die Sommers schon kennengelernt?« Der Wirt sprach leise.
    »Nur den Bürgermeister, Hermann.« Er schob die Gabel in den Mund.
    »Hermann ist in Ordnung. Hat seine Schwester gemocht. Genauso wie der Bruno. Das ist der jüngere Bruder. Ein Schlaufuchs. Dem macht keiner was vor, wenn’s um Pflanzen
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