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Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Titel: Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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mir mit seiner Bestellung dran, und als eins von den Servicemädchen kommt und ihn fragt, was er haben will, sagt er:
    »Zwölf Bier, bitte.«
    Mein lieber Herr Gesangsverein. Ja, es tauchen auch nach all den Jahren in meinem Stadtteil immer wieder Menschen auf, vor denen ich sofort meinen Hut ziehen würde, wenn ich denn einen hätte.
    *
    Wir haben verloren. In der 91. Minute das zwei zu eins kassiert. Ich sollte traurig und wütend sein. Bin ich aber nicht. Ich bin solche Spielverläufe gewohnt. Sankt Pauli verliert gefühlte fünfundneunzig Prozent seiner Spiele in der Nachspielzeit. Da ist der Verein wie der Stadtteil: Das ist alles ganz schön anzuschauen und oft ein Riesenvergnügen, aber wenn’s ums Gewinnen geht, fehlt am Ende der Biss.
    Carla und ich trödeln langsam in Richtung Reeperbahn. Wir sind noch mit Rocco in der Blauen Nacht verabredet, er kommt, sobald er Carlas Café zugemacht hat. Klatsche kommt auch. Die Jungs wollen uns wahrscheinlich mit großem Getue erklären, warum sie den Laden unbedingt übernehmen müssen.
    »Ist dir noch schlecht?«
    »Mir ist die ganze Zeit schlecht«, sagt Carla. »Aber spucken kann ich nur manchmal. Das war so toll vorhin, echt. Ich bin heilfroh, wenn’s mal klappt.«
    Ich zünde mir eine Zigarette an.
    »Stört dich das?«
    »Was?«, fragt Carla.
    »Die Kippe«, sage ich.
    »Hallo«, sagt sie und wedelt mit der Hand vor meinem Gesicht hin und her, »ich bin’s. Ich schwör dir, würde mir nicht die ganze Zeit die Galle bis zum Hals stehen, ich würde rauchen wie ’ne alte Dampflok.«
    Besser nicht, denke ich. Wir biegen auf die Reeperbahn ab. Die Lichter und Leuchtreklamen der Amüsierläden lassen den dicken Nebel über den Dächern gelblich glühen. Die nasse Kälte hat die Leute fest im Griff. Sie bewegen sich steif und zackig. Alle wollen schnell irgendwo rein. Keiner schlendert. Oben im Dickicht rattert ein Hubschrauber, und hinter uns, Richtung Heiligengeistfeld, kreischen ein paar Polizeisirenen. Aha. Gibt offensichtlich noch ’ne dritte Halbzeit. Wäre ich ein Hooligan, wäre ich auch in der Stimmung für eine Keilerei. Mal ein bisschen Feuer in die Kälte bringen. Hält doch kein Mensch mehr aus, diese gemeine Luft. Und das ist erst der Anfang.
    Ich kriege einen Hustenanfall und muss kurz stehen bleiben. Als ich fertig bin, tun wir so, als wäre nichts gewesen, und gehen weiter. Carla ist die Einzige, die nichts zu meiner Husterei sagt. Sie lässt mich in Ruhe. Sie weiß, dass es nichts bringt, auf mich einzusabbeln. Ich nehme mir vor, im Gegenzug nichts zu ihrer Schwangerschaft zu sagen. Sie wirkt nicht so, als würde sie dringend darüber reden wollen.
    »Glaubst du, das geht schief?«, fragt sie.
    »Was meinst du?«
    »Rocco und Klatsche und ihr Barprojekt«, sagt sie.
    »Ist doch egal, was ich glaube«, sage ich. »Die machen das so oder so.«
    Die sind wie ich: Die lassen sich nicht gern was sagen, auch wenn’s manchmal besser wäre.
    »Aber du machst dir Sorgen um Klatsche, oder?«
    Ich zucke mit den Schultern.
    »Der rutscht schon nicht wieder ab«, sagt sie. »Er ist ein guter, großer Junge. Und dass er nicht auf ewig der olle Schlüsseldienstmann bleiben will, kann ich echt verstehen. Schau mal: Ich bin auch Gastronomin. Bin ich deshalb gleich automatisch in der Nähe von Kriminellen?«
    »Du bist mit einem Kriminellen zusammen«, sage ich.
    »Einem Kleinkriminellen«, sagt Carla und reckt ihren rechten Zeigefinger in die Luft. »Dem es sehr guttun würde, mal eine richtige Aufgabe zu haben.«
    In deinem Bauch steckt eine Riesenaufgabe für ihn, denke ich, halte aber natürlich die Schnauze. Neben uns versucht ein Typ mit Kapitänsmütze, uns auf die Vorzüge seiner Erotik-Boutique aufmerksam zu machen, Carla schenkt ihm ein Lächeln.
    »Kuck mal, wie nett und höflich ich bin«, sagt sie, »als Gastronomin.«
    »Dein Café liegt lauschig in der Neustadt«, sage ich, »da wachsen Croissants auf den Bäumen, und es regnet Milchschaum. Die Blaue Nacht liegt an der allermiesesten Kiezecke. Und du kannst vielleicht den klebrigen Fußboden austauschen, aber nicht die Gäste. Klatsche wird wieder knietief im Milieu stehen.«
    »Liebes«, sagt Carla, »da steht er doch sowieso. Da ist er nie rausgekommen. Der Kiez ist seine Familie. Und er hat trotzdem seit Jahren kein Ding mehr gedreht.« Sie steckt die Hände in ihre Jackentaschen. Ihre dunklen, kurzen Locken sind ganz feucht vom Nebel. »Und falls er doch mal Scheiße baut, hat er ja immer noch
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