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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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breit. »Einem Dienstmädchen!«
    Anders wurde zunehmend ärgerlich. Aber er ließ sich nichts
anmerken und sagte: »Sie hat das Baby umgebracht. In der Nacht, als sie allein
mit ihm war, hat sie es erwürgt, und danach hat sie die Leiche versteckt.«
    Freddy schwieg. Ihm wäre nicht im Traum eingefallen, Anders
jetzt zu unterbrechen.
    »Sie wurde gefasst«, fuhr Anders fort. »Es gab einen
riesigen Gerichtsprozess und alles. Sie sollte verbrannt werden, aber das
Problem war, dass die Leiche des Babys nie gefunden wurde. Die alte Maria Tune
sagt, dass die Stallmagd das tote Baby im Keller des Alten Hauses vergraben
hat, und dass darum ihr Geist dort umgeht. Sie sucht nach der Leiche des
Kindes. Jede Nacht kommt sie und will ihr Kind ausgraben, aber sie kommt nicht
rein, weil eine Gesellschaft gegeben wird, voll mit vornehmen Gästen. Und die
Dienstboten dürfen sich nicht zeigen, wenn eine Gesellschaft gegeben wird.
Darum versucht sie es in der nächsten Nacht wieder, aber auch da kommt sie
nicht rein, wegen der Gesellschaft, und dann weint sie …«
    Anders rupfte eine Hand voll Löwenzahn ab und fing an, die
Köpfe abzuknipsen. Die Sonne kam hervor und wärmte die Haut. Ein weicher
Windzug ließ das Laubwerk der Bäume am Fluss rauschen.
    »Maria Tune hat Licht in der Mansarde gesehen«, sagte
Anders. »Als niemand dort war. Aber das wissen ja alle, dass es in der
Mansarde spukt.«
    Anders dachte an Maria Tune. Sie hatte ein vollkommen weißes
Gesicht, so bleich war sie. Maria Tune wurde niemals braun, obwohl sie den
ganzen Tag draußen war. Wenn sie abends ihr weißes Haar flocht, glich sie
einem Gespenst. »Sie hat auch den Geist gesehen«, sagte Anders. »Er hatte
ein altes, bleiches Frauengesicht mit ganz vielen Falten und weißem Haar,
dicht und weiß, mit Mittelscheitel, der Geist hat sich die Haare gekämmt und
dann dicke Zöpfe gemacht. Und die Zöpfe hat er sich dann um den Kopf gebunden
und mit Haarnadeln festgesteckt.
    »Hört sich an wie Maria Tune«, sagte Freddy. »Maria Tune
bürstet sich auch immer ihre langen, weißen Haare, und außerdem ist sie
total weiß im Gesicht.«
    Anders schüttelte den Kopf. »Maria Tune hat das erzählt.
Sie hat durch das Fenster geschaut und hat verdammt noch eins gedacht, sie
sieht ihr eigenes Spiegelbild. Und dann hat die Frau im Fenster sie
angelächelt.«
    Anders richtete sich auf. »Sie hat gelächelt … so …«
Er griff sich an beide Wangen und verzog den Mund zu einer schrecklichen
Grimasse. »Und da kamen ihre Zähne zum Vorschein, aber es waren keine Zähne,
dazwischen waren rostige, offene Löcher, als hätte sie Zähne aus Eisen.«
    Ein Tropfen Spucke lief aus Freddys offenstehendem Mund.
    »Sie hat sich nicht bewegt, Maria Tune, meine ich. Ihr sind
Schauer über den Rücken gelaufen, es war, als würde sie von einer
unsichtbaren Hand festgehalten – und da, genau dann, hat der Geist einen
höllischen Schrei losgelassen, fast wie die Säue, wenn Martin
schlachtet.«
    Anders erwog, einen Schweineschrei zu imitieren, entschied
sich aber dagegen. Seine Stimme könnte kippen, und der ganze Effekt wäre
dahin.
    »Und als sie brüllte«, fuhr er fort, »als sie brüllte,
leuchtete ihr Schädel durch die dünne Haut. Es war … sie hat einem
Totenschädel direkt ins Gesicht geschaut!«
    Freddy schluckte.
    Anders schauderte es noch immer, aber er war auch ein
bisschen enttäuscht. Vielleicht hätte die Geschichte drinnen besser
funktioniert. Wenn er sie am Abend erzählt hätte – während sie das
Rauschen des Flusses und die Schreie eines Uhus durch das halboffene Fenster
hörten.
    Freddy runzelte die Stirn. »Ist sie dichter dran gegangen,
um durchs Fenster zu schauen?«
    Anders nickte und begriff sofort, dass er es verbockt
hatte.
    »Aber die Mansarde liegt doch auf dem Dachboden!«
    Anders schüttelte verzweifelt den Kopf. »Die Mansarde?
Häh? Welche Mansarde?«
    »Du hast gesagt, dass sie den Geist hinter dem Fenster der
Mansarde gesehen hat.«
    »Freddy«, sagte Anders, »du musst schon zuhören. Maria
Tune hat den Geist im Alten Haus gesehen, die Frau, die nach ihrem Kind gesucht
hat …«
    »Aber war sie alt, als sie das Kind gekriegt hat?«
    Anders war jetzt aufgebracht. »Was weiß ich, wie alt, die
Frau hatte weiße Haare, alle Tussen, die ihre Kinder verlieren, kriegen weiße
Haare, hast du noch nicht von denen gehört, die ihre Kinder aus Adlernestern
und so retten, die kriegen alle total weiße
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