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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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Lastwagenfahrerstimme.
Er holte noch eine leere Petterøes-Packung aus der Tasche.
    Anders warf einen Blick darauf und schlug vor, dass sie sich
anständige Zigaretten besorgen sollten.
    Auf dem Platz vor dem Laden thronten zwei gelbe Benzinpumpen.
Im Schaufenster standen ein Paar Viking-Gummistiefel, eine Schiebermütze, ein
Tablett mit Haschpfeifen, ein Einwegfeuerzeug und Wollunterwäsche aus der
Dovre-Fabrik.
    Die Glocke klingelte, als sie die Türe öffneten. In dem
dunklen Verkaufsraum, in dem es nach geröstetem Kaffee und Gewürzen roch,
waren keine Kunden. Der alte Alfred erhob sich von seinem Hocker hinter der
Ladentheke. Er sagte kurzatmig: »Wenn das nicht Anders ist! Wie geht’s
deinen Eltern?«
    »Gut.«
    »Seid ihr gestern gekommen?«
    »Nur ich und Per Ole.«
    Die Fäuste auf die Theke gestützt, beugte der Alte sich
vor. Seine schmalen Augen blitzten. Alfred hatte Ähnlichkeit mit einem Greis
aus einem Stück im Fernsehtheater. Er trug eine Hose mit Bügelfalte, die von
Hosenträgern gehalten wurde, ein weißes Hemd mit merkwürdigen Schlaufen an
den Unterarmen, eine graue Weste und eine Uhrkette über dem Bauch. Seine
kleinen Äuglein starrten Anders hungrig an, sie gierten nach Neuigkeiten von
seinem Vater. Doch Anders schwieg. Er wartete darauf, dass Freddy sich nach
hinten in den Laden bewegte, zu den Zigaretten.
    Alfred zog das Glas mit den gemischten Bonbons zu sich
herüber. Die zitternden Altmännerhände, braun gefleckt und rot geädert,
öffneten eine weiße, dreieckige Papiertüte und füllten sie mit
Süßigkeiten. Sein Atem ging rasselnd. Alfred habe nur eine Lunge, hatte seine
Oma gesagt. In den Dreißigern hatte Alfred TBC gehabt und dabei eine Lunge
verloren. Solche Tuberkulosepatienten seien ständig geil, hatte Oma gesagt,
deshalb sei Alfred so verrückt nach Frauen – und nach Tratsch. Jetzt
krempelte er die Papiertüte mit dem Zuckerzeug zu und bereitete seine Frage
vor. »Er ist doch nicht schon wieder voll, dein Vater?«
    Anders antwortete nicht. Hinter Alfred bewegte sich Freddy
auf den Stapel mit Teddy ohne Filter zu.
    »Also, Anders, ist dein Vater schon wieder voll?«
    »Glaub’ nicht«, sagte Anders. »Sie sind auf einem Fest
bei Nachbarn. Hochzeit.« Das war das Codewort, das Alfreds Erregung noch
steigern würde: Wer heiratete wen? Und warum waren seine Eltern zu dieser
Hochzeit eingeladen? Und war das wirklich gut für Vebjørn, der so gerne den
starken Sachen zusprach, würde er es schaffen, sich nicht volllaufen lassen?
Und bald würden andere Kunden in den Laden kommen, und Alfred würde ihnen von
dem Fest erzählen können und von der Hochzeit, zu der Vebjørn und Liv
eingeladen waren, und die armen Kinder, mit so einem Vater, der sich in
regelmäßigen Abständen derart betrank …
    Aus dem Augenwinkel sah Anders, wie Freddy eine
Zigarettenschachtel in die Tasche steckte. Er war fertig. Er wollte gehen.
Anders nahm die Zuckertüte entgegen und grub darin. Er steckte ein Bonbon in
den Mund. Es war klebrig.
    »Mama und Papa holen uns morgen ab«, sagte er und war aus
der Tür, ehe der Alte noch weitere Fragen stellen konnte.
    Im Schatten der Traubenkirschbäume zündeten sie sich jeder
eine Teddy an. Anders wurde schwindelig. Er taumelte mit ausgestreckten Armen
herum und fühlte sich wie eine Schwalbe in der Luft. Er fiel und rollte durchs
Gras. Freddy war ganz bleich geworden und trank Wasser aus dem Fluss. Danach
fiel er auf die Knie und übergab sich.
    »Das kommt vom Inhalieren«, sagte er später. Sie lagen auf
dem Rücken im Gras, draußen auf der Wiese zwischen dem Fluss und dem
windschiefen, verlassenen Haus, das nur das Alte Haus genannt wurde.
    Anders spürte, wie die Übelkeit nachließ. Es war ihm egal,
wovon einem beim Rauchen schlecht wurde. »Das ist nur ein Übergang«, sagte
er. »Alle, die rauchen, sagen, dass ihnen am Anfang schwindelig und schlecht
wurde. Das gehört dazu.«
    Anders setzte sich auf und betrachtete das unheimliche Haus.
Baufällig, geteert, mit schwarzen Fenstern und einem eingesunkenen Dach.
    »Das Alte Haus war mal eine Poststation«, sagte er.
»Wusstet du das?«
    »Eine Poststation?«
    »König Frederik hat 1814 dort übernachtet.«
    Freddy kicherte. »Träum weiter.«
    Freddy war im Grunde furchtbar skeptisch, dachte Anders. Aber
Skeptiker stellten eine Herausforderung dar. Er fuhr fort: »Doch, sie sagen,
dass er einem Dienstmädchen ein Kind gemacht hat.«
    Freddy grinste
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