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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod
Autoren: Greg Iles
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hören.«
    Leibowitz lächelte. »Ich glaube, Sie werden froh sein, daß Sie es getan haben.«
    Am Ende war ich froh, sehr froh sogar. Ich flog am Montag nach New York, mietete einen Wagen, und nach einem einhändig geführten Kampf mit einer billigen Landkarte von einer Tankstelle navigierte ich den Ford Tempo nach Westchester.
    Das Haus war kleiner, als ich erwartet hatte. Anna war schließlich Ärztin und hatte das Glück gehabt, vor der sogenannten Gesundheitsreform zu praktizieren. Zum Teufel, sie hatte wahrscheinlich schon ihre Praxis aufgemacht, bevor sie überhaupt Medicaid gegründet hatten.
    Ich parkte den Ford und ging über einen blumengesäumten Bürgersteig, der direkt aus Fairplay, Georgia, zu stammen schien, zu dem modernen Vorstadthaus. Ich fühlte mich ein bißchen overdressed. Ich hatte einen schicken Anzug angezogen, falls Anna Kaas sich als die Besitzerin der größten Hütte von New Yorks Vorstädten herausstellen sollte. Ich klingelte zweimal, weil ich durch meine medizinische Praxis die Erfahrung gemacht hatte, daß alle über 60 unter einem gewissen Grad an Schwerhörigkeit litten, und überlegte, ob Anna wohl mit einem starken deutschen Akzent sprach.
    Als die Tür aufschwang, blieb ich wie angewurzelt stehen.
    Vor mir stand das Ebenbild der Frau auf dem Foto aus der Schachtel meines Großvaters. Es gab nur einen einzigen Unterschied. Annas Augen waren dunkel gewesen. Die Augen dieser Frau waren blau. Sie sah mich merkwürdig an, als versuche sie zu entscheiden, ob ich gefährlich war. Der ArmaniAnzug und der Montblancfüller in der Brusttasche gaben schließlich den Ausschlag zu meinen Gunsten.
    »Kann ich Ihnen helfen?« fragte sie in perfektem Amerikanisch.
    Ich fischte einen Terminkalender aus meiner Innentasche, holte die verwitterte Fotografie aus der Schachtel heraus und reichte sie der Frau. Sie betrachtete sie lange. Dann ergriff sie meine Hand und zog mich hinein.
    Sie führte mich in einen Salon, in dem ein Sofa, zwei QueenAnne-Stühle und Vitrinen standen, in denen sich eine Menagerie aus Porzellanfiguren und schwere, verzierte Bilderrahmen befanden. Die Figuren sahen aus wie echte Hummels.
    »Warten Sie hier«, sagte sie. »Ich bin gleich wieder da.«
    Ich trat ans Fenster und blickte über den gepflegten Rasen. Hatte Schwester Anna sich jemals träumen lassen, daß sie irgendwann einmal hier landen würde? Ich stand immer noch da, als ich hörte, wie jemand laut nach Luft schnappte.
    »Mein Gott!« sagte eine tiefe, fast rauchige Stimme.
    Ich drehte mich um. Im Flur vor dem Salon stand eine Frau, die mindestens 75 Jahre alt sein mußte. Sie hatte silbernes Haar und dunkelbraune Augen. Sie stützte sich auf den Arm der jüngeren Frau. Eine Weile starrte sie mich an und sagte dann: »Er ist tot, stimmt's?«
    »Sind Sie Doktor Anna Hastings?« fragte ich, obwohl mir klar war, daß sie es sein mußte. »Geborene Kaas?«
    »Ist Mac tot?«
    »Ja, Madam. Er ist vor drei Tagen gestorben. Es war ein Unfall. Ein Hubschrauberunglück. Meine Großmutter ist mit ihm zusammen ums Leben gekommen.«
    Die alte Frau nickte, ließ dann den Arm der jungen Frau los, ging langsam über den Teppich und blieb vor mir stehen. Ich wollte höflich sein, doch mein Blick wurde unwillkürlich von der jüngeren Frau angezogen, die mich merkwürdig intensiv anblickte.
    Anna Hastings streckte die Hand aus und legte sie auf meine Wange. »Sie könnten er sein«, sagte sie leise. »Ich kann es fast nicht ertragen, Sie anzusehen.«
    »Sie könnte auch Sie sein«, sagte ich und deutete mit einem Nicken auf die junge Frau. Obwohl ich jetzt, da ich Zeit hatte, sie mir genauer anzusehen, die feinen Unterschiede bemerkte. Die junge Frau war schlanker als Anna gewesen war, und ihre Wangenknochen waren etwas höher.
    »Katarina«, sagte Anna Hastings. »Meine Enkelin.«
    Ich lächelte sie an. »Ich bin Mark McConnell ... der Dritte«, fügte ich schnell hinzu. »Das schien nie wirklich wichtig zu sein, aber jetzt ...«
    »Sie sind natürlich mit Ihrer Ausbildung fertig«, sagte Anna. »Sie sind Arzt?«
    Ich nickte. »Notfallmedizin.«
    Anna lachte. »Kampfpilotenmentalität.«
    Ein deutscher Akzent war kaum zu bemerken. Vermutlich sprach sie sogar besser Englisch als ich.
    »Setzen Sie sich, setzen Sie sich doch«, sagte die alte Frau nachdrücklich. »Katarina macht uns sicher etwas Kaffee.«
    »Nun, ich bin eigentlich nur vorbeigekommen, um ... um Ihnen die Nachricht zu überbringen.«
    »Sie kommen den ganzen Weg vom
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