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Schwarzer Engel

Schwarzer Engel

Titel: Schwarzer Engel
Autoren: V.C. Andrews
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Selbstachtung geraubt hätte. Da war sie also, zwanzig Jahre alt, einmal verheiratet und geschieden, und haßte mich dafür, weil sie kein Mann genug geliebt hatte. Nicht einmal ihr eigener Pa.
    Vermutlich hatten Fanny und ich da einiges gemeinsam.
    Wie unter einem tiefen Zwang ging ich in der nächsten Nacht wieder zum Zirkus, aber diesmal hatte ich das weiße Kleid an, das ich so sorgfältig gewaschen und gebügelt hatte. Es wirkte wie aus einem Film. Diesmal ging ich allein, ohne Großpapa und Fanny. Noch einmal saß ich mitten in der heißen, schwitzenden Menge, die gekommen war, um den »Helden ihrer Heimatstadt« zu sehen – Luke Casteel, der neue Besitzer, der Conferencier, der alle verzauberte. Nur war heute nacht vieles ein bißchen anders. Diesmal saß Pas hübsche, junge Frau Stacie da und bewegte nervös die Hände, als Pa die Manege betrat und seine lange Begrüßung ohne Stocken und Fehler vortrug. Warum war sie dann nervös? Um mich herum standen Frauen und Mädchen zur Begrüßung auf und schrien begeistert, einige warfen sogar Blumen und Tücher hinunter.
    Ich sah meinen Bruder Tom, der einmal Präsident hatte werden wollen und sich jetzt darauf beschränkte, ein alberner Clown zu sein. Und das alles nur, weil Pa haben mußte, was er wollte, egal welche Wünsche Tom auch besaß.
    Ich dachte an Unsere-Jane, an Keith und an Fanny. Sie war genauso zu dem gemacht worden, was sie war, wie mich das Schicksal geformt hatte. Und dann fielen mir wieder die Worte des guten Reverend Wayland Wise ein: »Du trägst die Saat für deine eigene Zerstörung und die für jeden, der dich liebt, mit dir… ein Idealist der schlimmsten Sorte – der romantische Idealist… zum Zerstören geboren, bis zur Selbstzerstörung!«
    So wie es meine eigene Mutter getan hatte!
    Ich fühlte mich verurteilt, absolut verurteilt. Genauso wie Troy es empfunden hatte.
    Die Worte des guten Reverends flirrten mir so lange im Kopf herum, bis mir meine geplante Konfrontation mit Pa töricht vorkam. Sie war falsch und würde nur damit enden, daß ich mir selbst weh tat. Rasch stand ich auf und machte mich entschlossen auf den Weg. Es war egal, daß mich die Leute anbrüllten, ich solle mich hinsetzen und ihnen nicht die Aussicht versperren – ich mußte hier raus. Es war egal, daß die Löwen fast außer Kontrolle in der Manege herumrannten. Pa stand mit geladenem Gewehr und Pistole unmittelbar hinter der Käfigtür, die er entriegelt hatte. Unterdessen versuchte drinnen der Dompteur, die Katzen wieder zur Raison zu bringen, die ihn allerdings gar nicht beachteten. »Es ist der neue Löwe, der alle andern durcheinander bringt!« schrie irgendeiner. »Zieht die Fahnen ein! Das Flattern macht den Neuen nervös!«
    Ich hätte nie in die Willies zurückkommen sollen.
    Ich hätte das alles sich selbst überlassen sollen. Ungefähr drei Meter vom Käfig entfernt hielt ich an, denn ich wollte mich noch von Tom verabschieden, der direkt hinter Pa stand. Dann wollte ich zur Hütte zurück, wo es sich Großpapa mit dem Geist seiner Frau bequem gemacht hatte.
    »Tom«, rief ich leise.
    In seinem schlotternden Clownskostüm, mit bemaltem Gesicht, lief er herbei, packte mich am Arm und zischte: »Sag bloß kein Wort zu Pa, bitte, bitte! Er hat heute zum ersten Mal den Wärterposten, denn der kam betrunken zur Arbeit! Bitte, Heaven, lenk Pa nicht ab!«
    Aber ich mußte weder etwas sagen, noch etwas tun.
    Pa hatte mich bereits gesehen.
    Die Lichter über mir schienen auf meine silberblonden Haare.
    Ich trug dasselbe Kleid, das meine Mutter anhatte, als er sie das erste Mal auf der Peachtree Street stehen sah – das kostbare, brüchige Kleid mit den üppigen Puffärmeln und dem weiten Rock. Es war das hübscheste Kleid in meiner Sommergarderobe, und ich mußte es tragen… heute nacht zum ersten Mal. Versteinert und mit weit aufgerissenen Augen sah mich Pa an. Schrittweise kam er auf mich zu und entfernte sich immer mehr vom Löwenkäfig und vom Dompteur, der seine Aufmerksamkeit gebraucht hätte.
    Dann geschah etwas, was mich völlig überraschte. In Pas total verblüfften Augen tauchte plötzlich erleichterte, ungläubige Freude auf. Als qualvolle Antwort darauf pochte mein Herz wie wild. Während ich noch unschlüssig dastand, fühlte ich, wie sich die langen, weiten Ärmel meines weißen Sommerkleides aufblähten. Eine abendliche Brise hatte sich durch den Zelteingang verirrt.
    Endlich, endlich freute sich Pa, mich zu sehen! Ich las es in seinen
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