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Schwarzer, Alice

Schwarzer, Alice

Titel: Schwarzer, Alice
Autoren: Die grosse Verschleierung
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werden Sie für die Frauen tun,
sollten Sie Präsident werden?« - »Halten Sie es für gerechtfertigt, dass Ihre
Tochter nur die Hälfte dessen erbt, was Ihr Sohn erben wird?« - »Werden Sie die
Gesetzesvorlage unterstützen, mit der die Polygamie erleichtert werden soll?«
- »Werden Frauen in Ihrem Kabinett vertreten sein?« Etc. etc.
    Die Liste der Fragen ist lang. Die Frauen der
»Stop-Stoning-Initiative« fragten, warum in entlegenen Gebieten immer noch Frauen
für Ehebruch gesteinigt würden. Und das, obwohl es eine Abmachung zwischen der
Islamischen Republik und der EU gibt, auf diese archaische Strafe zu
verzichten. Die Frauen der »Eine-Million-Stimmen-Kampagne« fragten, warum
CEDAW, die UN-Konvention zur Beseitigung jeglicher Diskriminierung der Frau,
zwar in der Ära des liberalen Präsidenten Khatami im iranischen Parlament eine
Mehrheit gefunden hätte, aber noch immer nicht in Kraft getreten sei. Die
»White Scarfs« erkundigten sich, wann endlich auch Frauen in die Fußballstadien
dürften. Und die »Mütter für den Frieden« schließlich forderten Auskunft
darüber, warum Iran die Konflikte der Region eher anheize, als zu ihrer Lösung
beizutragen.
    Es schien ein großes Tauwetter. Der Kandidat Mir-Hussein
Mousavi, in den 80er-Jahren Premierminister der Islamischen Republik; der
Geistliche Mehdi Karrubi, während zwei Legislaturperioden Vorsitzender des
Parlaments; und sogar Mohsen Rezaei, ein ehemaliger Befehlshaber der
Revolutionswächter, versprachen öffentlich, mehr Frauen in die Regierung zu
holen. Von Ahmadinedjad aber war keine Antwort zu hören. Nach der Wahl schlug
er dann zwei Frauen als Ministerinnen vor. Nur eine einzige konnte im Parlament
die nötige Zustimmung erzielen.
    Aber zurück: Die Repräsentantinnen der säkularen und der
religiösen Frauen und die Sprecherinnen der Kampagnen einigten sich vor der
Wahl auf zwei grundlegende Forderungen: Die Islamische Republik Iran sollte
endlich die UN-Konvention CEDAW gegen die Diskriminierung von Frauen in Kraft
setzen; die Verfassung sollte vorbehaltlos geprüft und alle Gesetze, die Frauen
benachteiligen, sollten geändert werden.
    Doch dann gewann Ahmadinedjad - aller Plausibilität zuwider
- angeblich turmhoch, und der oberste Geistige Führer, Ali Khamenei, segnete
dieses Ergebnis trotz der öffentlich geäußerten Zweifel und trotz lautstarker
Forderungen nach einer umfassenden Überprüfung umgehend ab.
    Nun begehrten die Menschen, die sich um den Sieg ihrer Kandidaten
betrogen fühlten, auf - wie noch nie in der Geschichte der Islamischen
Republik. Der friedliche Aufstand erschütterte das Gefüge der Islamischen
Republik. Frauen, Studenten, Gewerkschaftler, Bazaris, liberale Geistliche,
Akademiker, aber auch Leute aus dem armen Teheraner Süden und aus der Provinz
kamen in der »Grünen Bewegung« zusammen.
    Einige Zeit sah es so aus, als würden die spezifischen
Forderungen der Frauen im allgemeinen Kampf gegen Despotie und für Demokratie
untergehen. »Die Opposition ist geschlechtsneutral geworden«, klagten die
Aktivistinnen. Doch sie haben vom Aufstand gegen den Schah 1979 gelernt: Ein
zweites Mal wollten die Frauen es nicht hinnehmen, dass ihre Forderungen als
weniger wichtig »auf später«, und das hieß auf den St. Nimmerleinstag,
verschoben werden.
    Am 8. März, zum Internationalen Frauentag, trafen also die
Vertreterinnen aller Richtungen der Frauenbewegung mit Sahra Rahnavard, der
Ehefrau von Mir-Hussein Mousavi, zusammen. Mutig und allen
Einschüchterungsversuchen zum Trotz wiederholten sie mit Nachdruck ihre
politischen Parolen und demonstrierten der Öffentlichkeit: Wir sind noch da
und wir machen weiter.
    Am Anfang des Protests hatte die Frage gestanden: »Wo ist
meine Stimme geblieben?« Nach der ersten Welle der Repression hörte man: »Freiheit
für alle politischen Gefangenen! Freiheit für die Presse! Freiheit, sich zu
versammeln!« Dann ging es darum, diejenigen, die für Folter und die
Hinrichtungen in den Gefängnissen verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu
ziehen. Die Regierung, die sich auf die Armee, die Bataillone der Revolutionswärter,
die Milizen, den Geheimdienst, die staatlichen Medien und auf die vielen
stützen kann, die von der Verteilung der Ölgelder leben, schlug um sich und
machte jeglichen Kompromiss zunichte. Obwohl Kompromisse inzwischen sogar von
Teilen des konservativen Establishments verlangt werden.
    Inzwischen hat sich die Koalition der Frauen - soweit sie
nicht im Exil oder
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