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Schwarzer, Alice

Schwarzer, Alice

Titel: Schwarzer, Alice
Autoren: Die grosse Verschleierung
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umstrittenen Wahlen, wieder aufflammen könnten
und die Oppositionsführer Mousavi und Karrubi zu friedlichen Kundgebungen
aufgerufen hatten, wurden vorsorglich Oppositionelle festgenommen, darunter zum
fünften Mal auch Mahboubeh Karimi, eine der Aktivistinnen der »Eine
Million-Unterschriften-Kampagne« für die Gleichheit von Frauen und Männern vor
dem Gesetz. Seit dem 20. Mai hat Mahboubeh keinen Kontakt mehr zu ihrer
Familie.
    Die Bilder dieser Frauen, die gesellschaftliche
Veränderungen mit aller Kraft erzwingen wollten, gingen um die Welt. Zuerst die
Fotos von perfekt geschminkten, schönen jungen Frauen mit grünem Stirnband und
Sonnenbrille. Dann die Fotos von Frauen im schwarzen Tschador, die Studenten,
die von Basidj-Milizionären verprügelt wurden, ohne zu zögern zur Hilfe eilten.
Dann die Fotos von Müttern, die Woche für Woche in öffentlichen Parks die
Bilder ihrer zu Tode gebrachten Kinder hochhielten und die in ihrer Trauer
unbezwingbar geworden waren. Die Mütter wurden aus den Parks vertrieben,
verwarnt und Mitte Februar sieben von ihnen verhaftet. Aus dem Gefängnis
entlassen, zeigten sie erneut die Bilder ihrer toten Kinder in der
Öffentlichkeit. »Was wären wir für Mütter, wenn wir nicht um unsere Kinder
trauerten?«, fragen sie.
    Die Menschenrechtlerin Shadi Sadr berichtet von einer Aktivistin
der Frauenbewegung, die in ihrer Wohnung verhaftet wurde, ohne Haftbefehl. Ihr
Laptop wurde mitgenommen, Nachricht über ihren Verbleib bekam die Familie
nicht. Doch dann war die Verhaftete plötzlich online. Ihre Freundinnen dachten,
sie sei aus dem Gefängnis entlassen worden und berichteten ihr, was in der
Zwischenzeit passiert war. Die schriftlichen Gespräche gingen hin und her, bis
herauskam, dass die Frauen die ganze Zeit nicht etwa mit ihrer Freundin
gechattet hatten, sondern mit dem Vernehmungsbeamten. Der wusste nun bestens
Bescheid.
    60 Aktivistinnen wurden verhaftet. Sie sollten bekennen,
dass sie als »Agentinnen des Westens« gehandelt hätten. Die allermeisten
wurden inzwischen gegen die Zahlung einer hohen Kaution entlassen. Wer nicht
zahlen kann, steht mit der eigenen Wohnung dafür ein.
    »Es gab Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung
insbesondere in Teheran«, lautet die Position eines Regierungssympathisanten,
»aber im Land insgesamt hat Ahmadinedjad gesiegt. Wenn die Opposition das nicht
anerkennt, muss sie so eingeschüchtert werden, dass sie ihren Widerstand
aufgibt und sich wieder an die Gesetze hält. Sie muss es mit der Angst bekommen.«
Fünf politische Häftlinge wurden am 17. Mai hingerichtet.
    Ziel der regierenden Hardliner ist es, »die göttliche Ordnung«
wiederherzustellen und mit aller Macht die »samtene Revolution« zu verhindern.
Bis das erreicht sei, so Saieed Hassan Firuzabadi, General der dem obersten
Geistigen Führer Ali Khamenei direkt unterstellten Basidj-Milizen, müsse »die
Demonstration von Autorität« weitergehen. Und sie geht mit Gewalt weiter:
»Daftare Tahkim Vahdat«, die größte Studentenorganisation Irans, steht unter
wachsendem Druck, sich aufzulösen, Mitglieder des Zentralrats sitzen im
Gefängnis. Zu neuneinhalb Jahren Gefängnis wurde jetzt die Studentin Bahareh
Hedayat wegen Beleidigung der Staatsführung und Störung der nationalen
Sicherheit verurteilt. In Gilan mussten die Studentinnen schwören, nicht an
den Demonstrationen der Grünen Bewegung teilzunehmen, sonst drohe ihnen der
Ausschluss aus den Universitäten. Die Wahl des Vorstands der
Rechtsanwaltskammer wurde massiv behindert, die Hälfte der Kandidaten wurde
disqualifiziert. Der Status unabhängiger Rechtsanwälte ist in der Schwebe. Die
Farbe Grün, die Farbe des Propheten wie der Grünen Demokratiebewegung, ist aus
der Öffentlichkeit verschwunden. Bei drei Gelegenheiten wurde im Fernsehen
sogar der grüne Streifen der iranischen Nationalfahne durch einen blauen
ersetzt.
    Vor den Wahlen im Juni 2009 schien für eine kurze Zeit ein
friedlicher Übergang zu mehr Demokratie in Reichweite zu liegen. Eine
Aufbruchsstimmung erfasste die Gesellschaft, überall wurde über die Wahlen, die
Kandidaten und eine bessere Zukunft diskutiert. Studenten konfrontierten die Präsidentschaftskandidaten
mit ihren Forderungen nach mehr Demokratie und Freiheit. Säkulare und religiöse
Frauen schlossen sich zu einer breiten Koalition zusammen und ihre Abgesandten
befragten die Anwärter auf das Präsidentenamt nach ihrem Programm für die
Frauen. Also konkret: »Herr Kandidat, was
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