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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Finn
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verkommene Bosheit, dass ihm schlecht wurde vor Angst.
    »Und jetzt hoch mit dir. Du wirst so lange an meiner Seite bleiben, bis ich deine Dienste nicht mehr benötige.«
    Jacob nickte stumm. Hastig rappelte er sich auf, hob die Laterne an und stolperte voran in die Dunkelheit.
     
    Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Jacob seinen unheimlichen Begleiter an Leitern und Haspelwinden vorbei durch die Tunnel, Kammern und Schächte bis zu jenem Stollen geführt hatte, der hinter den Kumpeln eingestürzt war. Noch immer türmte sich dort das Gestein bis zur Decke. Davor säumte Schutt ihren Weg, und im Gang standen die mit Steinen gefüllten Tragekörbe, die sie bei ihrer überstürzten Flucht zurückgelassen hatten.
    »Scheint so, als sei hier seit unserem Abgang niemand mehr gewesen.« Jacob zitterte und wusste selbst nicht zu sagen, ob er sich mehr vor diesem Doktor Faust oder dem lichtlosen Ort fürchtete, an den er sie beide geführt hatte.
    Faust bedeutete ihm, still zu sein, und lauschte, dann lächelte er. »Nein, wir sind hier unten alles andere als allein.«
    Auch Jacob konnte es jetzt hören. Von irgendwoher drang ein leises Raunen und Flüstern an seine Ohren. »Was ist das?«, keuchte er.
    »Verdammte Seelen«, erklärte Faust gelangweilt und kramte ohne Eile unter seinem Gewand.
    »Berggeister?!« Jacob blieb der Entsetzensschrei in der Kehle stecken, so sehr fürchtete er sich.
    »Nenn sie, wie du willst«, knurrte der Gelehrte und öffnete eine längliche Schachtel, der er zwei langstielige Pflanzen mit ausgefransten grünen Blättern und weißen, in voller Pracht stehenden Blüten entnahm. Waren das Buschwindröschen? »Diese Seelen sind so lästig wie Ungeziefer. Aber damit habe ich gerechnet. Solange wir etwas Hexenblum bei uns haben, belästigen sie uns nicht.« Faust warf ihm das Bergeisen zu. »Also, worauf wartest du? Mach den Weg frei.«
    Jacob krümmte sich zusammen. Wie ein geprügelter Hund stolperte er an Faust vorbei und zu dem Schutthügel hinüber. Erst nach ein paar zittrigen Atemzügen fand er den Mut, das Gestein an der Stelle zu bearbeiten, die er und seine Kumpel damals wieder mit Felsen verschlossen hatten. Das pochende Geräusch seines Bergeisens hallte von den Stollenwänden, Gestein rumpelte zu Boden. Schließlich gelang es ihm, den engen Zugang zu dem verschütteten Gangabschnitt erneut freizulegen. Dunkelheit gähnte ihm entgegen. Doch sosehr er auch lauschte, jenseits des Zugangs herrschte Stille.
    Faust trat hinter ihn und drückte ihm die Hexenblum in die Hand. »Hübsch festhalten, mein Freund. Solange du dieses Pflänzchen bei dir trägst, können dir die Geister nichts anhaben.«
    Jacob wimmerte leise. »Ihr wollt tatsächlich dort hinein?«, stieß er hervor, und seine Stimme klang fremd in seinen Ohren. Kurz erwog er, Faust anzugreifen, ihn fortzustoßen und zu laufen, bis er diesem vermaledeiten Stollen entronnen sein würde. Doch ein Blick in die kalten schwarzen Augen des Doktors belehrte ihn eines Besseren, und so fügte er sich in sein Schicksal.
    Faust schob ihn ungeduldig vorwärts. »Nein, nicht
ich
will da rein,
wir
wollen da rein. Und jetzt Beeilung.«
    Jacob sprach mit bebenden Lippen das Vaterunser, während er sich durch die Öffnung zwängte. Abermals polterte Gestein, und er rutschte auf der anderen Seite eine Schutthalde hinunter. Rasch kam er wieder auf die Beine und hob zitternd die Laterne. Vor ihm im Dunkeln lag der abgeschnittene Streckenabschnitt. Er war leer … oder? Jacob spähte angestrengt in die Dunkelheit und entdeckte weiter hinten, am Rande des Lichtkreises, graue Schemen, die halb sitzend, halb aufgerichtet gegen die Stollenwand lehnten. Schemen mit Gliedmaßen.
    Hinter ihm bahnte sich Doktor Faust einen Weg in den Tunnel, nahm ihm die Laterne ab und drehte die Blende auf. »Hervorragend. All die Jahre der Forschungen. Sie waren nicht umsonst.« Er eilte voran, ohne seinen Begleiter weiter zu beachten.
    Jacob, den plötzlich Dunkelheit umfing, stolperte bebend hinterher. Als er den Zauberer eingeholt hatte, ächzte er. Dreizehn leblose Körper, deren Haut sich pergamenten über die Knochen spannte, kauerten rechts und links des Tunnels. Ihre staubige Kleidung wirkte viel zu groß, hing schlaff an den ausgemergelten Gliedmaßen herab, und unter den abgemagerten, verschrumpelten Händen zeichneten sich Gelenke und Knochen überdeutlich ab. Endlich wagte er es, einen Blick auf die Gesichter der Toten zu werfen. Das waren Fratzen! Die Münder
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