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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Finn
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Keyboards. Doch das dreiundzwanzigjährige Luder mit den langen schwarzen Haaren und den sinnlichen Lippen hatte den Spieß einfach umgedreht! Rückblickend war es ihm ein Rätsel, dass er nicht schon bei ihrem Kennenlernen vor zwei Wochen erkannt hatte, wie diese Schlange auf zwei Beinen wirklich tickte. Immerhin hatte sie ihm mitten auf dem Alexanderplatz die Brieftasche stehlen wollen. Zugegeben, er hatte sie nur ertappt, weil er die Tricks der Szene kannte und selbst nicht als Musterschüler für moralisch integres Verhalten durchging. Doch von der ersten Sekunde an hatte er gespürt, dass mit Sylvia etwas nicht stimmte. Umso mehr ärgerte er sich, dass er ihr auf den Leim gegangen war. Statt mit dem Hirn hatte er mit anderen Körperteilen gedacht. Bei Licht betrachtet, war das auch kein Wunder, denn Sylvia war die Gestalt gewordene Versuchung. Noch immer wurde sein Mund trocken, wenn er an ihre festen Brüste, den in jeder Hinsicht griffigen Hintern und vor allem an die Nächte dachte, die sie beide wie im Fieber verbracht hatten. Bei alledem war Sylvia so unnahbar geblieben, wie er es bei keiner zweiten Frau erlebt hatte. War das von Anfang an Teil des Spieles gewesen?
    Lukas wusste nicht, ob es ihn mehr wurmte, dass sie seine Gefühle so missbraucht hatte oder seine Kunst. Denn sie hatte ihn mit ihren tabulosen Überredungskünsten davon überzeugt, seine Trickfertigkeit auf weitaus gewinnbringendere Weise zu nutzen. Zwei Wochen lang waren sie ein Duo Infernale gewesen. Während Sylvia ihre Opfer gekonnt ablenkte, hatte er sein Talent besudelt und seine Fingerfertigkeit als Taschendieb eingesetzt. Fast achttausend Euro hatten sie ergaunert, und ihr kurzes Zusammenleben kam ihm immer noch vor wie ein Rausch aus Tausendundeiner Nacht. Dabei war die Bühnenzauberei für ihn sein Heiliger Gral. Er hatte schon einiges in seinem Leben verbockt, aber wenn er sich neue Tricks ausdenken und das Publikum damit verblüffen konnte, fühlte er sich für einen winzigen Augenblick als der Mittelpunkt des Universums und Teil der großen Illusion, die die meisten für die Wirklichkeit hielten. Leider war das sein einziges Talent. Denn ihm stets auf den Fersen war diese elende Zerrissenheit, die ihn nichts in seinem Leben zu Ende bringen ließ und dafür sorgte, dass er praktisch jeden in seiner Umgebung enttäuschte, ob er das nun wollte oder nicht. Lukas hatte selbst keine Erklärung dafür, aber manchmal war ihm, als würden im Innersten seines Wesens zwei Seiten seines Ichs um Vorherrschaft ringen. Dass Sylvia es trotz ihrer Skrupellosigkeit irgendwie geschafft hatte, die ewige Unruhe in ihm zu bändigen, offenbarte sie ohne Zweifel als einen dunklen Spiegel seiner selbst. Und das war die bitterste Erkenntnis.
    Vielleicht war es am Ende ja ganz gut gewesen, dass sie aufgeflogen waren? Das heißt, dass
er
aufgeflogen war. Denn zuletzt war er ausgerechnet an einen Zivilbullen geraten, der ihn quer durch Berlin gejagt, aber zum Glück nicht erwischt hatte. Als er es dann spätabends wagte, wieder zu seiner Bude zurückzukehren, war Sylvia fort gewesen. Mitsamt der Kohle und seinen übrigen Wertgegenständen. Nur, dass das Miststück nicht ganz so schlau gewesen war, wie sie vielleicht gedacht hatte. Ein Betätigen der Rückruftaste hatte ihm offenbart, dass sie von seinem Festnetzanschluss mit der Bahnauskunft telefoniert hatte, und das Reiseziel hatte sie sogar auf einem Block notiert. Wie in einem schlechten Krimi hatte er die Zettel mit einem Bleistift schraffiert und so ihren Zielort herausgefunden: Staufen.
    Hier war er nun, das Lächeln mittlerweile zur Maske gefroren, und seine Chancen, sie zu finden, standen nicht schlecht. In Kürze begann hier die
Staufener Zeitreise.
Ein ebenso buntes wie schrilles Spektakel, das in den vergangenen Jahren Tausende Besucher in die Stadt gelockt hatte. Ein Wochenende lang spielten über fünfhundert Statisten Staufens bewegte Stadtgeschichte vom Mittelalter bis hin zum Revolutionsjahr 1848 nach. Dann erfüllte Kanonendonner die kleine Stadt, Umzüge drängten durch die Gassen, und vom Bürger- bis hin zum Malefizturm erstreckte sich ein Mittelaltermarkt, auf dem Weine, Biere und Speisen aller Art angeboten wurden. Wie er Sylvia einschätzte, würde sie die Gelegenheit nutzen, weitere Touristen auszunehmen. Er aber kannte ihre Vorlieben und wusste, welche Plätze sie für ihre Gaunereien bevorzugte. Und er hatte genug Zeit, sich mit Staufens Örtlichkeiten vertraut zu machen. Er würde
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