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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Finn
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waren weit aufgerissenen, zwischen den gebleckten Zähnen stachen verdorrte Zungen hervor, und die tiefliegenden Augenhöhlen mit den verschrumpelten Augäpfeln waren an den Rändern gerötet. Es dauerte eine Weile, bis Jacob begriff, dass die Nässe in seinen Beinkleidern nicht allein vom Regen herrührte. »Was zur Hölle ist mit ihnen geschehen?«
    Faust lächelte kalt und beleuchtete eine eingetrocknete Pfütze mit weißlichem Salzrand, die die Gangmitte zwischen den mumifizierten Bergleuten ausfüllte. »Es ist so, wie du berichtet hast: Sie haben geweint. Sie haben so lange geweint, bis auch der letzte Tropfen Feuchtigkeit ihre Leiber verlassen hatte.«
    Jacob wurde vor Grauen fast ohnmächtig. »Kann uns das ebenfalls passieren?« Panisch schaute er sich um und meinte plötzlich, von irgendwoher ein Raunen zu hören.
    »Nein«, murmelte Faust. »Dreizehn Leichen. Dreizehn Opfer. Das sollte reichen, um all das Leid, das sie hier unten freigesetzt hatten, wie ein Tuch aufzusaugen.« Er hob die Laterne und spähte an den Toten vorbei. »Ganz ohne Zweifel haben deine Kumpel hier unten einen überaus bedeutenden Fund gemacht.«
    Jacob sah ihn fragend an, doch der Zauberer beachtete ihn nicht. Stattdessen beleuchtete er den Gangabschnitt hinter den Toten, als würde er etwas suchen. »Schon einmal kam es zu einem solchen Ereignis wie hier in Teufelsgrund. Nur ist das bereits einige hundert Jahre her. Es geschah zur Zeit von König Barbarossa. Auch damals waren es dreizehn Opfer.«
    Jacob zitterte. »Bitte, lasst uns gehen.«
    »Nein, erst wenn ich den Stein in Händen halte.«
    »Was für einen Stein?«
    »Einen Diamanten.« Faust packte ihn am Arm und zog ihn an den entstellten Leichen vorbei, während er das Licht gezielt auf eine funkelnde Stelle am Stollenende ausrichtete. Dort, unmittelbar neben einem herrenlosen Hammer, lag eine zersprungene Steindruse. Jacob hatte kristallgefüllte Hohlkugeln wie diese schon mehrfach gesehen. Doch das Ding am Ende des Gangs war seltsam. Das umgebende Gestein war tiefschwarz und schien nur einen einzigen Kristall zu umhüllen. Dieser funkelte und blitzte in einem kalten dunklen Licht wie eine übergroße Träne und wirkte, als sei er bereits in Tropfenform geschnitten.
    »Bei allen Höllenmächten, da ist er!« Faust lachte triumphierend und streckte die Rechte aus, doch in diesem Moment glitt eine fahle Gestalt aus der Felswand. Und dann noch eine und noch eine. Jacob schrie auf. Berggeister! Die Spukgestalten starrten sie mit leeren, rot leuchtenden Augen an, und es vergingen einige Wimpernschläge, bis Jacob begriff, wer sie waren. »Gott, das sind meine toten Kumpel.«
    »Ja, sie halten hier Wache. Also hoch mit dem Zauberkraut!«
    Ebenso wie Faust reckte Jacob den Gestalten die Hexenblum entgegen. Die Schemen wehklagten und zerstreuten sich, als triebe sie ein geisterhafter Wind auseinander. Doch weiter hinten glitten bereits weitere Gestalten aus dem Fels, die sie zornig anstarrten. Nach und nach verdorrten die Blütenblätter in Jacobs Händen. »Bitte«, schluchzte er, »so lasst uns doch endlich gehen! Die Blume verdorrt!«
    »Sehe ich«, gab Faust unbeeindruckt zurück. »Wir müssen die Geister austricksen. Bleib stehen und halt uns den Spuk vom Leib, damit ich Schutzkreise ziehen kann.« Er zückte ein Stück Kreide und bückte sich.
    Jacob beobachtete einer Panik nah, wie der Doktor um ihn einen Kreis zog, den er rasch mit Symbolen versah. Jacob wusste nicht, was er mehr fürchten sollte – den Doktor oder die geisterhaften Gestalten, die immer wieder auf sie zuwogten. Stets wenn sie ihnen zu nahe kamen, wehrte er sie mit der Hexenblum ab, und jedes Mal verwelkte ein weiteres der weißen Blütenblätter. Faust zeichnete derweil einen fünfzackigen Stern auf den Boden und stellte sich selbst hinein. »So, das sollte ausreichen«, brummte er zufrieden.
    »Wozu ausreichen?«, wimmerte Jacob, den das eigentümliche Gefühl beschlich, dass sich die Geister nun auf ihn konzentrierten. Inzwischen fiel das vorletzte Blütenblatt zu Boden.
    »Der Drudenfuß, in dem ich stehe, sollte ausreichen, um mich vor den Geistern zu schützen, wenn sie über dich herfallen. Und solange sie mit dir beschäftigt sind, wird das hier«, Faust kramte ungerührt eine weitere Hexenblum aus seiner Schachtel, »allemal langen, um den Diamanten zu bergen.«
    »Was!?« Jacob fuhr herum, packte das Bergeisen in seinen Händen fester und stürzte sich mit einem wütenden Aufschrei auf seinen
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