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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Finn
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wirkten staubtrocken, als sei der Fremde soeben durch die Tür eines Gasthauses ins Freie getreten. Jacob leckte sich unruhig über die Lippen, als ihm auffiel, dass auch das Rauschen des Regens verstummt war. Um ihn herum tröpfelte es noch von den Bäumen, doch das Unwetter war ebenso plötzlich zum Erliegen gekommen, wie es aufgezogen war. Das Prasseln des Feuers hingegen erschien ihm jetzt lauter als zuvor. Jacob schauderte. War dieser Faust tatsächlich ein Schwarzkünstler? Er packte das Bergeisen fester. »Zuvor will ich wissen, wie es mit meiner Belohnung aussieht«, rief er.
    »Immer einen Blick fürs Wesentliche. Das gefällt mir.« Faust stiefelte im Schein der Flammen an ihm vorbei, blieb an der Abbruchkante neben dem Grubenpfad stehen und sah hinab auf das unter ihnen liegende Bergwerksgelände. »Doch mag an dieser Stelle der Hinweis angebracht sein, dass der Lohn für deine Gefälligkeit nicht vom Hutmeister, sondern aus meiner Tasche aufgebracht wird.«
    »Ist mir egal, von wem ich das Silber erhalte.«
    »Sei versichert, du bekommst, was du verdienst. Allerdings nur, wenn du dich als nützlich erweist.«
    Glaubte der Kerl, er habe es mit einem Narren zu tun? Faust wandte ihm noch immer den Rücken zu, und kurz erwog Jacob, dem Kerl die Axt über den Schädel zu ziehen. Es wäre nicht das erste Mal, und vielleicht käme er so noch leichter an die Belohnung heran.
    »Du bist doch nützlich, oder?« In der Stimme des Doktors schwang ein lauernder Unterton. Jacob fühlte sich wie ein kleiner Junge, der beim Eierdiebstahl ertappt worden war. »Sicher bin ich das«, antwortete er unbehaglich, ehe er vorsichtig neben den Doktor trat, um selbst einen Blick auf das nächtlich verschattete Tal zu werfen. Die große Senke unter ihnen war auf ganzer Länge abgeholzt und wirkte wie eine klaffende Wunde in der Bergwelt. In der Dunkelheit zeichneten sich die Lagerhäuser sowie die überdachten Arbeitsstätten der Röster und Bergschmiede ab. Die Hütten mit den Treträdern und Tiergöpeln hingegen waren ebenso kaum zu erahnen wie die Grubenbauten und Pochstellen, die Waschwerke sowie die Meilerplätze und Abraumhalden. »Der Eingang zum Hauptstollen ist zu dieser Tageszeit versperrt«, brummte Jacob schließlich. »Aber da existiert ein weiteres Mundloch, gleich da hinten neben der Schmelzhütte. Der Nebenstollen führt ebenfalls zu der Stelle. Doch eines sage ich Euch schon jetzt: In das Bergwerk selbst kriegen mich keine zehn Pferde mehr. Ich führe Euch nur bis zum Eingang.«
    »Der Hutmeister berichtete mir, dass du Zeuge der Tragödie warst«, sprach Faust ohne erkennbare Gefühlsregung. »Berichte mir davon.«
    Jacob räusperte sich. »Na ja, als die Männer verschüttet wurden, gehörte ich zu jenen, die versucht haben, sie zu bergen.«
    »Und?«
    »Wir haben drei Tage gebraucht, bis wir uns zu ihnen durchgearbeitet hatten. Und die ersten eineinhalb Tage haben wir sie auch noch gehört.«
    »Was hast du gehört?«, wollte Faust wissen.
    »Nichts. Also nichts Verständliches. Sie …« Jacob starrte weiter hinunter zum Tal. »Sie haben geweint.«
    »Geweint?«
    »Ja. Immer, wenn wir innehielten, konnten wir sie schluchzen hören. Den meisten aus der Bergungsmannschaft ging das durch und durch. Die haben die ewige Flennerei nicht mehr ausgehalten und sind nach oben ans Tageslicht geflüchtet.«
    »Aber du nicht?«
    »Nein, ich nicht. Jedenfalls anfangs.« Jacob warf seinem Begleiter einen verstohlenen Blick zu, doch der Gelehrte ließ sich nicht anmerken, was er von der Geschichte hielt. »Ich bin aus einem anderen Holz geschnitzt.«
    »Davon bin ich überzeugt.« Faust grinste wissend, und abermals fühlte Jacob sich ertappt. Aus irgendeinem Grund kam ihm mit einem Mal der Junge in den Sinn, dem er vor etlichen Jahren wegen drei Silberpfennigen den Schädel eingeschlagen hatte. Wusste sein Gegenüber von der Schuld, mit der er seine unsterbliche Seele befleckt hatte? Vielleicht konnten Schwarzkünstler so etwas spüren? Hieß es denn nicht, dass Mörder wie er ihre Seele an den Teufel verkauften? Unsinn, dachte Jacob und schüttelte den Gedanken ab. »Die Verschütteten haben jedenfalls geflennt wie kleine Kinder. Ging irgendwann in ein Wimmern über. Bis sie still wurden. Ganz still.« Faust schwieg, und Jacob zuckte mit den Schultern. »Ich schätze mal, Grubengas oder so.«
    »Grubengas?« Faust sah ihn erstmals an. »In einem Silberbergwerk? Bist du närrisch?«
    Jacob wusste nicht, was er darauf
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