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Schwarze Themse

Schwarze Themse

Titel: Schwarze Themse
Autoren: Anne Perry
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und landete krachend auf den aufgebrochenen Bohlenbrettern des Laderaums. Sein Kopf schlug nur dreißig Zentimeter von der Bilge entfernt auf, wo das mit Blut vermischte Bilgenwasser mit seiner Fracht toter Männer mit ihrem aufgedunsenen, angenagten Fleisch und den klaffenden Halswunden in ewigem Schweigen hin und her schwappte.
    Monk klammerte sich fest und übergab sich. Dann starrte er
hinunter in das Grauen, das nicht mehr als dreieinhalb, viereinhalb Meter unter ihm lag. Es war nichts zu hören außer das Schlürfen des Wassers und das Scharren der Ratten. Louvain lag auf dem Rücken. Seine Augen waren offen, und Monk wusste, dass er zwar sehen, sich aber nicht bewegen konnte. Er hatte sich das Rückgrat gebrochen.
    Das Schiff schaukelte, und Monk klammerte sich fest. Das Entsetzen über das, was er unter ihm sah, kroch ihm über die Haut und rann als kalter Schweiß an ihm hinunter.
    Louvain rutschte über den schrägen, glitschigen Boden näher an die gähnende Öffnung zur Bilge.
    Monk starrte ihn an. Er wusste, was passieren würde, wenn das Schiff das nächste Mal schlingerte, und er sah in Louvains Augen, dass dieser es ebenfalls wusste. Der Augenblick erstarrte zu einer ewigen Hölle.
    Das Schiff schlingerte erneut. Louvain schlitterte an den Rand der Bohlen, hing dort noch einen grässlichen Augenblick und stürzte dann, weil er sich nicht festhalten konnte, in den Albtraum der Bilge, plumpste auf den geschwollenen Leib des Schiffsjungen und zwei tote Ratten. Sein Gewicht zog ihn nach unten. Monk sah noch einen Augenblick sein bleiches Gesicht, dann schloss sich das stinkende Wasser über ihm, und er war von den übrigen Leichen, die dort trieben, nicht mehr zu unterscheiden.
    Monk schloss die Augen, doch die Szene wiederholte sich vor seinem geistigen Auge, war für immer auf seiner Netzhaut eingebrannt.
    Â»Helfen Sie mir, die Segel zu hissen.« Das war Durbans Stimme.
    Er wich seinem Blick aus und griff nach der Hand, die sich ihm helfend entgegenstreckte. Unsicher kam er auf die Füße.
    Â»Helfen Sie mir, die Segel zu hissen«, wiederholte Durban. »Der Strom entert, und es weht eine steife Brise aus Westen. Zwei sollten reichen, höchstens drei.«
    Â»Segel?«, fragte Monk begriffsstutzig. »Wozu?«

    Â»Es ist ein Pestschiff«, antwortete Durban. »Wir können es weder an Land lassen noch hier noch irgendwo sonst.«
    Schreckliche Gedanken schossen Monk durch den Kopf. »Sie meinen …«
    Â»Fällt Ihnen was Besseres ein?«, sagte Durban schnell. Sein Gesicht sah im Licht der Luke grau aus.
    Â»Und Ihre Männer …«, wollte Monk einwenden.
    Â»An Land. Ich habe es Orme befohlen. Ich musste, er hätte nicht eingesehen, warum ich Newbolt und Atkinson und McKeevers Leiche mit mir nehmen muss. Helfen Sie mir, die Segel zu hissen, dann können Sie auch gehen. Es gibt ein Rettungsboot, das können Sie nehmen.«
    Monk hatte Probleme, das Gleichgewicht zu halten. Nicht wegen des leichten Schlingern des Schiffes, sondern aufgrund des Entsetzens in seinem Kopf. »Sie können nicht alleine hier raus segeln! Wohin? Sie können mit dem Schiff nirgendwo hin!«
    Â»Raus über Gravesend hinaus und dann den Pulvervorrat anzünden«, antwortete Durban, dessen Stimme jetzt kaum mehr war als ein Flüstern. »Das Meer wird das Schiff sauber waschen. Der Meeresgrund ist ein guter Friedhof. Und jetzt lassen Sie uns hier rausgehen und rauf an die frische Luft. Von dem Gestank wird mir noch übel.« Noch während er das sagte, drehte er sich um und machte sich an den Aufstieg. Monk folgte ihm, bis er an Deck stand und keuchend die eiskalte Abendluft einatmete, süß wie das Licht, das vom Westen herüberschien und Feuer auf die Wellen warf.
    Er wusste kaum noch, wie man Segel setzte, aber Durban sagte ihm, was er zu tun hatte. Eine Vertrautheit aus der Kindheit an der Nordostküste gab seinen Fingern Geschick. Ein großes Segel entfaltete sich langsam und kroch, als sie sich mit ihrem ganzen Gewicht und vereinten Kräften an das Seil hängten, langsam den Hauptmast hinauf. Sie holten es dicht, dann kam das zweite an die Reihe.
    Zusammen gingen sie zur Winde und lichteten den Anker.
Monk kurbelte noch die letzten Umdrehungen, während Durban schon zum Steuer ging und das Schiff langsam drehte, wodurch der Wind erst in ein Segel fuhr, dann in das nächste. Es war
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