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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman
Autoren: Dean Koontz
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Geländelimousine. Boo sprang durch die geschlossene Heckklappe hinein, und nachdem ich diese geöffnet hatte, folgte Raphael ihm.
    »Was wird mit Tim geschehen, wenn wir die Mauern des Anwesens verlassen?«, fragte ich Annamaria.
    »Nichts wird geschehen«, sagte sie. Der Junge klammerte sich an sie. »Er wird leben und gedeihen.«
    »Aber er hat gesagt …«
    »Was war, das ist nicht mehr, junger Mann. Und nun werden wir sehen, was sein wird.«
    Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um eine unserer rätselhaften Unterhaltungen zu führen. Ich schwang mich hinters Lenkrad, während Annamaria sich mit dem Jungen auf den Rücksitz setzte.
    Als wir am Haus vorüberfuhren, implodierte es und fiel gemächlich in sich zusammen. Dichte Rauchwolken eines in der Tiefe brennenden Feuers stiegen in die Luft.
    Wenn sich die Maschinerie völlig in ihre Bestandteile aufgelöst hatte, würde vielleicht nicht mehr von Roseland bleiben als vom Hause Usher, nachdem es in seinem stinkenden Pfuhl versunken war.
    Vor dem zerfallenden Säulenvorbau stand Mr. Hitchcock am Wegesrand. Er winkte mir zu, und ich winkte zurück. Fast hätte ich angehalten, um ihm zu sagen, jetzt sei ich bereit für ihn, aber in Wirklichkeit war ich es noch nicht ganz.
    Ein breites Lächeln lag auf seinem Gesicht, als er Roseland zerfallen sah. Als Geschäftspartner musste Cloyce genauso widerlich gewesen sein wie als Privatmann.
    Das Pförtnerhaus war bereits in ein Loch gefallen. Henry Lolam hatte es wahrscheinlich mitgenommen.
    Ich wollte schon aus dem Wagen springen, um die Tore zu öffnen, als die Mauern daneben in sich zusammenbrachen und zugleich zu schmelzen schienen. Die Tore lösten sich aus dem geschmolzenen Stein und fielen krachend zu Boden. Ich lenkte das Fahrzeug darüber und raste davon, so schnell ich es wagte – froh, Roseland hinter mir gelassen zu haben, aber darauf bedacht, nicht die Aufmerksamkeit eines Streifenwagens auf mich zu ziehen.
    Noch bevor ich fünfzig Meter weit gekommen war, jagte Madra auf ihrem herrlichen Ross an mir vorüber. Ihr weißes Nachtgewand flatterte über den schwarzen Flanken des Pferdes. Sie blickte sich einmal um, und ich sah sie lächeln, bevor die beiden aus dieser Welt in die nächste galoppierten.
    Uralte Eichen flankierten die Landstraße. Durch die dicken schwarzen Äste strömte plötzlich Regen aus den Wolken, die sich den ganzen Tag lang am Himmel gesammelt hatten. Einen Moment lang ergriff mich wieder Furcht, als die Welt hinter der Windschutzscheibe verschwamm, doch als ich die Scheibenwischer einschaltete, war die Welt noch immer da.
    Ich fuhr durch die hügelige Landschaft zur Küstenstraße, wo ich mich nach Süden wandte. Am nebelverhangenen Horizont ging das graue Meer in den grauen Himmel über, und silberner Regen durchströmte den Tag, während die Reifen über den nassen Asphalt zischten.

53
    Wir ließen den Wagen auf dem Parkplatz eines Supermarkts stehen und mieteten in einer ruhigen Stadt an der Küste auf Monatsbasis einen Bungalow mit drei Schlafzimmern. Das halbe Dach war mit gelber Bougainvillea überwuchert, und von der Veranda aus sah man das Meer.
    Von anderen Mietern hätte der Besitzer verlangt, sich auszuweisen, doch Annamarias Lächeln, ihre Berührung und bares Geld verschaffte uns auch so ein neues Heim.
    Anfangs gab es um Roseland einen großen Medienrummel, der jedoch rasch nachließ, als der Heimatschutz sich eine eindeutig verfassungswidrige Autorität anmaßte. Im Internet kursierten Gerüchte, dort hätten Terroristen einen schändlichen Anschlag geplant. Das militärische Personal und die Wissenschaftler, die auf dem Gelände kampierten und die Ruinen durchwühlten, verliehen dieser Theorie eine gewisse Glaubwürdigkeit.
    Während des ersten Monats an unserem neuen Zufluchtsort schlief ich in meinem Zimmer, aber Tim blieb nachts bei Annamaria, weil er Angst hatte, allein zu schlafen. Seine Persönlichkeit hatte sich verändert. Er war noch immer ein Junge, der Tausende Bücher gelesen hatte und von ihnen geprägt worden war, aber er sprach nie von Roseland, so als hätte er keinerlei Erinnerung daran gehabt. Manchmal sprach er von seiner Mutter und darüber, wie sehr er sie vermisste, doch er schien zu denken, dass sie durch einen Sturz vom Pferd ums Leben gekommen war. Von seinem Vater wusste er nichts.
    Ich fragte Annamaria nicht, wie diese Veränderung in Tim bewirkt worden war, denn ich befürchtete, sie würde es mir ausführlich erklären, ohne dass ich auch
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