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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys
Autoren: Deon Meyer
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schleichend.« Griessel seufzte. Diese Melodramatik – und das ausgerechnet an einem Montagnachmittag, an dem die
     Alkoholsucht sanft und dennoch fordernd in ihm erwachte wie eine Geliebte. Vierunddreißig Tage ohne Alkohol.
    Der Reiz des Risikos war groß, das muss ich zugeben. Die Abhängigkeit vom Adrenalin, der kalkulierte Kitzel, die feine Furcht
     im Bauch, wenn man sich nahe am Abgrund bewegt. Das alles kannte ich. Schließlich bin ich Quartus Lombaard …
    »Kalkulierter Kitzel« – »Feine Furcht«. Wie nannte man so etwas? Wenn aufeinanderfolgende Wörter mit denselben Lauten begannen?
     Griessel kam nicht sofort darauf, aber seine Gereiztheit und Abneigung wuchsen. Ein Reicher, der Selbstmord beging. Weil er
     seine Frau ermordet hatte. Und der dann noch ein peinliches literarisches Geständnis hinterließ. Griessel war in Lombaards
     Haus gewesen: Meerblick, Gemälde, riesiger Fernseher, Sportwagen.
    Wie konnte man das alles einfach so wegwerfen?
    Man musste völlig übergeschnappt sein. Sonst war es unvorstellbar.
    Ich bin Quartus Lombaard und habe zunächst Prime Technologies und dann, drei Jahre später, DigiCard als darbende Kleinunternehmen
     übernommen und zu florierenden Firmen
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aufgebaut, die schließlich für einen Gesamtbetrag von dreiundzwanzig Millionen Rand verkauft wurden. Und so wie meine Unternehmen
     aufblühten, blühte auch ich auf. Ich brauchte den Druck und den Stress, das schnelle Reden, das schnelle Wachstum, das schnelle
     Leben.
    Und dann hatte ich genug von alldem, während Louwna ihre verdammte Büroplanungsgesellschaft weiterhin mit so viel Enthusiasmus
     und Hingabe führte, als wünsche sie sich nichts anderes im Leben.
    Ich war neidisch. Sie war so offenkundig glücklich und zufrieden. Jeden Morgen, ohne Ausnahme, stand sie um Punkt sechs Uhr
     auf, wusch sich, zog sich an, verabschiedete sich mit frohem Herzen und einem Lächeln auf den Lippen und ging zur Arbeit.
     Und ich blieb allein zu Hause zurück mit nichts als einem vagen Hauch ihres Parfüms, der sich nach und nach verflüchtigte.
    Wie sie die sinnlose Routine genoss! Montag und Dienstag in Kapstadt, Mittwochmorgen nach Johannesburg, Donnerstagnachmittag
     zurück. Freitags entspannte sie sich, ging einkaufen, traf sich zum Tee mit Freundinnen, sah sich einen guten Film an …
    Mein Neid verwandelte sich in Wut, die Wut in starke Abneigung, und diese wurde irgendwann zu blankem Hass. Gift und Galle.
     Angefacht von der Leere der Langeweile und der fehlenden Ablenkung.
    Doch ich will nicht zu vernünftig klingen. Bleiben wir bei meiner Theorie, dass ich geisteskrank bin – so ist es am einfachsten.
     Dies ist mein Geständnis:
    An einem Wintermorgen gegen zehn Uhr saß ich an meinem Schreibtisch, hatte ein Heft vor mir liegen und verfasste die
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folgende Überschrift: Ziel : (und dann in die nächste Zeile:) Louwna umbringen , in geschwungenen Buchstaben, mit meiner kleinen, sauberen, peinlich akkuraten Handschrift. Das Kratzen der Füllerspitze
     hallte deutlich hörbar in dem großen Raum wider.
    Die nächste Überschrift: Gründe für den Erfolg wurde gefolgt von dem Unterpunkt Kein Motiv . Ergänzt von dem zweiten Punkt, dass Louwna ein Gewohnheitstier war. Die Routine bot ihr Halt und Schutz, war ihr ein Kompass
     durchs Leben.
    »Scheiße«, brummte Griessel verhalten und drückte die Zigarette aus. Der Typ hielt sich wohl für Wilbur Smith.
    In Johannesburg wohnte sie stets im Sandton Comfort Inn, immer in Zimmer Nummer 114, und sie war ausnahmslos spätestens um
     21:30 Uhr zurück im Hotel, um fertig gebadet zu sein, wenn ich um 22:00 Uhr anrief.
    Diese Art der sorgfältigen schriftlichen Planung war mir vertraut. Meine beiden geschäftlichen Unternehmungen hatte ich ebenso
     begonnen, mit denselben Überschriften, denselben Fragen, gefolgt von meiner Interpretation der SWOT-Analyse (
strengths, weaknesses, opportunities, threats)
, dann dem strategischen Plan, Schlüssel-Erfolgsfaktoren und wichtigen Deadlines

nuancierte, persönliche Variationen der Business-School-Lerninhalte.
    Kein Motiv. Das war der Schlüssel. Die Dummen wurden gefasst, weil sie ein Motiv hatten, doch Louwna und ich waren einander
     immer treu gewesen und sogar bei Streitigkeiten respektvoll miteinander umgegangen. Es gab auch keine Lebensversicherung,
     von der ich hätte profitieren können. Nein, man geriet nicht deswegen unter Mordverdacht, weil im Laufe
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einer Ehe die Intensität der Beziehung allmählich
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