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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse
Autoren: Tom Sharpe
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gegangen war, oder ihr begeistertes Eintreten für die Vasektomie, das die Veranstaltung so in die Länge gezogen hatte. Die Rednerin, eine im Familienplanungsinstitut der Vereinten Nationen in Madras beschäftigte Ärztin, die Kindersterblichkeit für einen wahren Segen zu halten schien und von der die Spirale als nutzlos, die Pille als zu teuer sowie die Sterilisation der Frau als zu kompliziert verworfen worden war, hatte die Vasektomie so verlockend beschrieben, daß Zipser sich dabei ertappte, wie er in einem fort die Beine übereinanderschlug und wünschte, er wäre nicht gekommen. Sogar jetzt noch, als er durch die schneebedeckten Straßen zurück nach Porterhouse ging, schwante ihm Schlimmes, und er verspürte eine Neigung zum Watschelgang. Doch auch wenn es ganz so aussah, als müsse die Welt verhungern, er hatte Porterhouse einfach für den Abend den Rücken kehren müssen. Als einziger Doktorand im College kam er sich ein wenig isoliert vor. Die Studenten unter ihm befleißigten sich einer wilden Promiskuität, um die er sie beneidete, ohne daß er sich traute, ihnen nachzueifern, während die Fellows ihre Impotenz durch Völlerei kompensierten. Außerdem war er kein echter Porterhouse-Mann, wie der Dekan bei seiner Aufnahme bemerkt hatte. »Sie werden im College wohnen müssen, um den Geist dieses Ortes anzunehmen«, hatte er verkündet, und während Doktoranden in anderen Colleges auf billigen und gemütlichen Buden hausten, mußte Zipser plötzlich nicht nur eine ausgesprochen teure Zimmerflucht im Bull Tower bewohnen, sondern sah sich auch noch gezwungen, die Vorschriften für gewöhnliche Studenten zu befolgen. Beispielsweise mußte er um Mitternacht zu Hause sein, wollte er sich nicht Skullions Zorn zuziehen oder am nächsten Morgen die taktlosen Fragen des Dekans über sich ergehen lassen. Das ganze System war anachronistisch, und Zipser wünschte, ein anderes College hätte ihn genommen. Besonders unangenehm fand er Skullions Verhalten. Der Pförtner schien ihn für einen Eindringling zu halten und deckte ihn mit einem Schwall von Beleidigungen ein, wie man sie sich normalerweise für Lieferanten aufhob. Zipsers Versuche, ihn mit der Erklärung zu beschwichtigen, seine Heimatstadt Durham sei eine Universitätsstadt und 1380 habe es in Oxford ein Durham College gegeben, scheiterten auf der ganzen Linie. Wenn überhaupt, hatte die Erwähnung von Oxford Skullions Abneigung nur noch verstärkt. »Unser College ist für Gentlemen«, hatte er verkündet, und damit war Zipser, der nicht einmal den Anspruch erhob, auch nur ein putativer Gentleman zu sein, gebrandmarkt. Skullion hatte ihn auf dem Kieker.
    Als er die Market Hill Street überquerte, warf er einen Blick auf die Uhr an der Guildhall. Es war fünf nach halb eins. Folglich war das Haupttor geschlossen und Skullion im Bett. Zipser verlangsamte seine Schritte. Jede Eile war zwecklos. Genausogut könnte er jetzt die ganze Nacht über draußen bleiben. Jedenfalls würde er Skullion nicht herausklopfen und sich deshalb beschimpfen lassen. Es wäre nicht das erstemal, daß er die ganze Nacht durch Cambridge wanderte. Natürlich durfte er auch Mrs. Biggs, die Aufwartefrau, nicht vergessen. Sie weckte ihn jeden Morgen und mußte es melden, wenn sein Bett unberührt geblieben war, aber Mrs. Biggs zeigte sich entgegenkommend. »Mit einem Pfund im Portemonnaie kann man sich schon mal ’n Floh ins Ohr setzen lassen«, hatte sie nach seiner ersten Nachtwanderung erklärt, und Zipser hatte frohgemut gezahlt. Mrs. Biggs war in Ordnung. Er mochte sie. Trotz ihrer Leibesfülle hatte sie etwas beinahe Menschliches. Zipser zitterte, teils wegen der Kälte und teils, weil er an Mrs. Biggs denken mußte. Mittlerweile fiel der Schnee immer dichter, und es war klar, daß er bei diesem Wetter nicht die ganze Nacht draußen bleiben konnte. Genausowenig wie er Skullion aufwecken würde. Also mußte er über die Mauer klettern. Zwar ein würdeloses Unterfangen für einen Doktoranden, doch er hatte keine andere Wahl. Er überquerte die Trinity Street und ging am Caius College vorbei. Unten angekommen wandte er sich nach rechts, bis er das Hintertor zum Weg erreichte. Die Eisenspitzen auf der Mauer über ihm sahen bedrohlicher aus denn je, doch draußen bleiben konnte er nicht. Bei dem Versuch würde er wahrscheinlich erfrieren. Vor Trinity Hall fand er ein Fahrrad, das er den Weg entlangschleppte und gegen die Mauer lehnte. Dann kletterte er hoch, bis er die Spitzen
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