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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse
Autoren: Tom Sharpe
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gegessen. Ich kriege keinen Bissen mehr runter, danke nein.«
    »Auch in diesem Fall gilt wohl: In der Not frißt der Teufel Fliegen«, sagte der Dekan.
    Der Kaplan war entsetzt. »Fliegen fressen?« rief er. »Nur über meine Leiche! Was soll aus diesem Haus bloß noch werden?« Er schüttelte sich und schlief umgehend wieder ein. »Was soll nur aus unserem Kaplan werden, wenn wir schon dabei sind«, sagte der Prälektor traurig. »Mit ihm geht’s täglich weiter bergab.«
    »Anno Domini«, sagte der Dekan, »Anno Domini, so leid es mir tut.«
    »Unter diesen Umständen«, entgegnete der Obertutor, an dem noch die Überbleibsel einer klassischen Erziehung hafteten,
    »kein sehr glücklich gewählter Ausdruck, Dekan.« Der Dekan sah ihn wütend an. Er konnte den Obertutor nicht leiden und fand seine Anspielungen furchtbar anstrengend. »Im Jahre unseres Herrn«, erklärte der Obertutor. »Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß unser Herr und Rektor sich in der Rolle des Schöpfers sieht. Wir werden alle Hände voll zu tun haben, zu verhindern, daß er sich überanstrengt. Ich räume ein, daß wir unsere Fehler haben, aber keine, die ich von Sir Godber Evans korrigiert haben möchte.«
    »Ich bin sicher, daß sich der Rektor gern von uns beraten läßt«, sagte der Prälektor. »Auch früher hatten wir schon einige halsstarrige Rektoren. Canon Darmtract hatte ein paar unkluge Änderungswünsche für den Gottesdienst, wenn ich mich recht entsinne.«
    »Er wollte das Tagesschlußgebet für alle zur Pflicht machen«, sagte der Dekan.
    »Ein schrecklicher Gedanke«, pflichtete der Obertutor bei. »Das hätte den Verdauungsvorgang gestört.«
    »Dies wurde ihm«, fuhr der Dekan fort, »nach einem besonders guten Abendessen unterbreitet. Es hatte Krabben in pikanter Pilzsauce gegeben, gefolgt von Hasenpfeffer. Ich glaube, die Zigarre hat ihn überzeugt. Und die Zabaglione.«
    »Zabaglione?« rief der Kaplan. »Ist zwar schon ein bißchen spät, aber wenn ich’s recht bedenke ...«
    »Wir sprachen über Canon Darmtract«, erklärte der Schatzmeister.
    Der Kaplan schüttelte den Kopf. »Konnte den Mann nicht ausstehen«, sagte er. »Ernährte sich von pochiertem Kabeljau.«
    »Er hatte ein Magengeschwür.«
    »Überrascht mich nicht«, sagte der Kaplan. »Bei so einem Namen hätte er wirklich besser aufpassen müssen.«
    »Um auf den jetzigen Rektor zurückzukommen«, sagte der Obertutor, »ich bin nicht gewillt, die Hände in den Schoß zu legen und ihn unsere Zulassungsbedingungen ändern zu lassen.«
    »Wir können es uns meines Wissens gar nicht leisten«, pflichtete ihm der Schatzmeister bei. »Schließlich sind wir kein reiches College.«
    »Darauf muß man ihn hinweisen«, sagte der Dekan. »Wir verlassen uns darauf, Schatzmeister, daß Sie es ihm verständlich machen.« Der Schatzmeister nickte pflichtschuldig. Seine Konstitution war nicht die stärkste, und der Dekan schüchterte ihn ein.
    »Ich werde mein Bestes geben«, versprach er. »Und was den Collegerat angeht, so ist meines Erachtens die beste Politik eine der ...äh ...liebenswürdigen Trägheit«, empfahl der Prälektor. »Sie war schon immer unsere Stärke.«
    »Es geht doch nichts über die Hinhaltetaktik«, pflichtete der Dekan bei. »Der Liberale muß mir erst noch begegnen, der sich nicht von ausgedehnten Debatten über Quisquilien zermürben läßt.«
    »Dabei denken Sie doch nicht etwa an die Darm-Behandlung, wenn ich das so formulieren darf?« wollte der Obertutor wissen. Der Dekan lächelte und drückte seine Zigarre aus. »Um jemanden reinzulegen, braucht man ihm nicht unbedingt Honig um den Bart zu ...«
    »Pst«, sagte der Prälektor, doch der Kaplan schlummerte weiter. Er träumte von den Verkäuferinnen bei Woolworth. Sie ließen ihn sitzen und gingen hinaus auf den Hof, wegen der Kälte in ihre Talare eingewickelt. Sie sahen aus wie ein Haufen schwarzer Puddings, als sie sich so auf den Weg in ihre Wohnungen machten. Nur der Schatzmeister wohnte mit seiner Frau extern. Porterhouse war wirklich ein sehr altmodisches College.
    Im Pförtnerhaus saß Skullion vor dem Gaskaminfeuer und wienerte seine Schuhe. Neben ihm auf dem Tisch stand eine Dose mit schwarzer Schuhcreme, und alle paar Minuten stippte er die Ecke seines gelben Staubtuches hinein und schmierte die Wichse mit kleinen kreisförmigen Bewegungen auf die Schuhkappe. Immer neue Kreise beschrieben seine im Tuch steckenden Finger, während die Schuhkappe kurzzeitig stumpf
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