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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse
Autoren: Tom Sharpe
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verstehen. »Daß ich Sie geschlagen habe.«
    »Wie kommen Sie darauf, daß Sie mich geschlagen haben?« Das unsymmetrische Gesicht funkelte ihn wütend an. Zipser kratzte sich an der Stirn. »Tja, wie auch immer, es tut mir leid. Ich dachte, ich sollte mal nachsehen, ob Sie in Ordnung sind.«
    »Sie dachten, ich würde Sie melden, stimmt’s?« fragte Skullion verächtlich. »Das werde ich nicht tun. Sie sind noch mal davongekommen. «
    Zipser schüttelte den Kopf. »Darum ging’s mir nicht. Ich dachte, Sie könnten sich vielleicht ... nun ja ... verletzt haben.« Skullion lächelte grimmig.
    »Verletzt? Ich und verletzt? Was bedeutet schon ’ne kleine Schramme?« Er wandte sich ab, ging zurück in sein Schlafzimmer und schloß die Tür. Zipser ging in den Hof hinaus. Das verstand er nicht. Da schlug man einen alten Mann nieder, und dem war es egal. Das war unlogisch. Es war alles verflucht irrational. Er ging auf sein Zimmer und legte sich schlafen.

Kapitel 3
    Der Rektor schlief schlecht. Die somatischen Effekte des Festmahls im Verein mit den psychischen Konsequenzen seiner Rede wirkten sich auf seinen Schlaf negativ aus. Während seine Frau in ihrem Einzelbett sittsam schlummerte, lag Sir Godber wach und durchlebte mit der Besessenheit eines an Schlaflosigkeit Leidenden die Ereignisse des Abends noch einmal. War es klug gewesen, dem College so auf den Schlips zu treten? Diese Entscheidung war genau kalkuliert und sie schien durch seine politische Bedeutung vertretbar zu sein. Was auch immer die Fellows über ihn sagen mochten, sein Ruf als gemäßigter und letztlich konservativer Reformer würde ihn von dem Verdacht freisprechen, daß er der Veränderung um ihrer selbst willen das Wort redete. Als Minister, der den Slogan »Veränderung ohne Umwälzung« zu einem zentralen Bestandteil der letzten Steuerreformen gemacht hatte, war Sir Godber stolz auf seinen konservativen Liberalismus oder, wie er es einmal in einem aufschlußreichen Augenblick formuliert hatte, seine autoritäre Permissivitität. Die Kampfansage an Porterhouse war gewollt und genau überlegt. Das College war grotesk altmodisch, einfach unzeitgemäß, und für einen Mann, der sein ganzes Leben danach gestrebt hatte, zeitgemäß zu sein, gab es keinen größeren Fehler. Als bedingungsloser Verfechter der Gesamtschulerziehung um jeden Preis und Vorsitzender der Evans-Kommission zur Oberstufenreform, die die polytechnische Erziehung bis zur sechsten Klasse für geistig Behinderte durchgesetzt hatte, war Sir Godber stolz darauf, genau zu wissen, was für das Land am besten war. In dieser Auffassung wurde er von seiner Frau, Lady Mary, unterstützt, deren mittlerweile eisern liberale Familie immer noch an den eher konservativen Traditionen der Whigs festhielt, was sich in dem Wahlspruch Laisser Mieux niederschlug. Sir Godber hatte das Motto übernommen und sich, in Verbindung mit Voltaires berühmter Maxime, zum Feind des Guten gemacht, wo immer es ihm begegnete. »Sei gut, süße Maid, und laß den schlau sein, der will«, war für Sir Godbers kämpferische Phantasie reizlos. Was süße Maiden brauchten, war eine erstklassige Erziehung, und was schlafende Hunde brauchten, war ein ordentlicher Tritt in den Allerwertesten. Genau den wollte er Porterhouse verabreichen.
    Während er in der Stille der Nacht wach lag und den Glocken der Collegeuhren und Kirchen lauschte, wie sie die Stunden schlugen – ein seines Erachtens mittelalterliches und überflüssiges Warngeräusch –, entwarf Sir Godber seine Kampagne. Als erstes würde er eine gründliche Bestandsaufnahme der Collegeressourcen anordnen und die nötigen Einsparungen vornehmen, um die ihm vorschwebenden Änderungen finanzieren zu können. Bereits diese Einsparungen würden in Porterhouse Veränderungen bewirken. Das Küchenpersonal konnte ruhig ein bißchen ausgedünnt werden, und da ein großer Teil des Porterhouse-Flairs von der Küche und den Spendengeldern abhing, mit denen sie von ehemaligen Porterhouse-Studenten so reichlich eingedeckt wurde, würde eine vorsichtige Politik der Mittelkürzung in diesem Bereich den Collegecharakter bereits erheblich verändern. Zudem ließen sich solche Einsparungen mit dem geplanten Bauprogramm und den steigenden Studentenzahlen rechtfertigen. Dank seiner Erfahrungen, die er auf Hunderten von Sitzungsstunden in Ausschüssen gewonnen hatte, ahnte der Rektor voraus, welche Argumente die Fellows gegen ihn ins Feld führen würden. Einige würden sich gegen
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