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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst
Autoren: Klaus Wanninger
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Sie schien sprachlos, war unfähig, die Worte auszusprechen, die ihr auf den Lippen lagen.
    Sekunden später bestätigte sie, dass sie ihn verstanden hatte. »Blausäure«, hauchte sie.
    Die Apothekerin, überlegte er, die Expertin für Arzneien und Gifte. Würde ausgerechnet sie zu dem hoch gefährlichen Zeug greifen, wenn sie ihren Mann beseitigen wollte? Sie, die die Polizei ihres Berufes wegen als Erste verdächtigen würde?
    »Sie kennen sich aus?«
    Marion Böhler kam langsam wieder zu sich. »Ich arbeite in einer Apotheke. In Cannstatt.«
    »Jeden Tag?«
    »Dreimal die Woche.«
    »Aber heute nicht.«
    »Heute? Nein, ich sagte Ihnen doch, ich war in der Stadt, bummeln, einkaufen …«
    Braig spürte, wie sie wieder auflebte, schaute auf seine Uhr. Fünf vor neun. Marion Böhler schien stabil genug, weitere Fragen beantworten zu können. »Sie waren nicht bei Ihrem Mann im Weinberg?«
    »Bei Konrad? Um Gottes willen, was soll ich dort? Wissen Sie, wie nass es draußen ist?«
    Hatte sie den Hintergedanken seiner Frage wirklich nicht verstanden?
    »Der Wingert, das ist Konrads Welt, nicht meine«, erklärte sie, wie zur Bestätigung seiner Vermutung.
    »Wie würden Sie den Zustand Ihrer Ehe bezeichnen?«
    Sie stutzte, schaute ihn mit großen Augen an, antwortete nur zögernd. »Was tut das jetzt noch zur Sache? Konrad ist tot, oder?«
    Braig nickte. »Trotzdem.«
    »Wir haben spät geheiratet. Ich war Ende dreißig, Konrad Anfang vierzig. Vielleicht verstehen wir uns deshalb so gut. Bis auf einige Reibereien könnte es nicht besser sein.«
    Braig schaute sie überrascht an, wunderte sich über die Dreistigkeit, mit der sie ihn belog. Mit den Ausführungen des Nachbarn hatte diese Aussage nichts gemein. Er wandte seinen Blick Söhnle zu, sah das vorsichtige Kopfschütteln des Kollegen.
    »Von welchen Reibereien sprechen Sie?«, fragte er.
    Sie antwortete nicht sofort, überlegte erst, wie sie es formulieren solle. »Kleinigkeiten, nicht der Rede wert. Wie sie in jeder Beziehung ab und an mal vorkommen.«
    Es war nicht zu überhören, dass sie nicht die Wahrheit sagte.
    »Haben Sie Zeugen für Ihren Einkaufsbummel heute Mittag?«
    »Zeugen?«
    »Haben Sie jemand getroffen? Unterwegs oder beim Kaffee trinken?«
    Marion Böhler zuckte mit der Schulter, schaute ihn ratlos an. »Wozu? Konrad ist tot.«
    Ihre Antwort überzeugte ihn nicht. »Irgendjemand wird Sie doch gesehen haben, heute Nachmittag.«
    »Nein, niemand.«
    »Das ist schlecht.«
    »Wieso?«
    Er wusste nicht, ob sie ihn wirklich nicht verstand oder ihn zum Narren hielt. Immerhin war es möglich, dass sie unschuldig und vom plötzlichen Tod ihres Mannes schockiert war. Er musste seine Aggressionen bremsen. »Haben Sie Kinder?«
    »Kinder?« Sie wiederholte seine Frage, schüttelte dann den Kopf.
    »Verwandte oder Bekannte, die wir rufen können, damit Sie nicht allein sind?«
    Sie verstand, worauf er hinauswollte. »Danke. Ich komme allein zurecht.« Ihre Stimme hatte deutlich an Kraft gewonnen. Sie griff nach einem Papiertaschentuch, putzte sich die Nase. »Ermordet«, fügte sie hinzu, langsam, wie in Zeitlupe. »Dann waren die Drohungen doch echt.«
    Braig und Söhnle richteten sich gleichzeitig auf. »Von welchen Drohungen sprechen Sie?«
    »Briefe. Ich dachte zuerst, Sie seien deswegen gekommen. Jetzt hat er die Polizei doch informiert, obwohl er die Sache bisher nur auf die leichte Schulter nahm.«
    Braig wusste nicht, ob er der Frau glauben solle. »Sie haben sie hier?«
    Marion Böhler schüttelte energisch den Kopf. »Sie liegen in seinem Büro.«
    »Können wir sie sehen?«
    »Muss das unbedingt heute noch sein? Reicht morgen früh nicht auch? Das war sehr viel für mich.« Der Tonfall ihrer Stimme hatte überraschend an Volumen gewonnen. Sie klang energisch, fast aggressiv. So wie am Anfang ihres Besuches, als sie sie empfangen hatte.
    Braig nickte, wollte ihr nicht widersprechen. Nicht, wenn sie wider Erwarten erst vor wenigen Minuten, aus seinem Mund vom Tod ihres Mannes erfahren hatte. Ganz konnte er diese Möglichkeit nicht ausschließen. Obwohl sie ihm nicht besonders wahrscheinlich erschien. Er gab Söhnle mit einer Kopfbewegung zu verstehen, dass er aufbrechen wollte, erhob sich. »Wir können wirklich niemanden für Sie rufen?«
    »Ich benötige Ihre Hilfe nicht, danke.« Marion Böhler ging ihnen voran, begleitete sie bis zur Haustür.
    Braig betrachtete die Frau, bemerkte im hellen Licht der Diele, welch kräftige Farbe ihr Gesicht
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