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Schutzengel mit ohne Flügel

Schutzengel mit ohne Flügel

Titel: Schutzengel mit ohne Flügel
Autoren: Arto Paasilinna
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sein!«
    Diese neue Aussicht jagte Sulo Auvinen einen solchen Schauder ein, dass er beschloss, die Verhandlungen ganz abzubrechen. Hatte es denn wirklich nicht gereicht, dass er mit dem eifersüchtigen, nörgelnden, Alkohol bechernden Weib fast fünfzig Jahre widerwillig zusammengelebt hatte? Unschöne Erinnerungen an das abscheuliche Verhalten seiner verstorbenen Frau kamen ihm in den Sinn. Sie hatte ihn hinter seinem Rücken verleumdet und als wüsten Schürzenjäger beschimpft. Oder sie hatte aus Wut das Gerücht in die Welt gesetzt, dass er ein Homo sei. Wie konnte ein Schürzenjäger ein Homo sein? Auch Inzestgerüchte hatte sie verbreitet. Gleich nach der Hochzeit hatte den jungen Ehemann fast der Schlag gerührt, als er die Cellulite auf ihrem breiten Hintern sah. Dazu hatte sie Hängebrüste, und sie stank aus dem Mund. Ihre Stimme war durchdringend und steigerte sich oft zu einem Kreischen, das an ein Geheul erinnerte. Mit zunehmendem Alter hatte sie angefangen zu schnarchen, und ihre Blase war undicht gewesen. Und jetzt schlug der Teufel vor, dass dieses Leiden weitergehen sollte, noch dazu in der Hölle?
    »Kommt nicht infrage. Mein Zuhause ist der Himmel.«
     

28
SULO AUVINEN WIRD MIT NEUEN AUFGABEN BETRAUT
     
    Die beiden Paare kehrten nach Finnland und in Aarettis Büchercafé zurück. Aaro schrieb Notizen über die ereignisreiche Reise, die Frauen machten belegte Brote zurecht. Oskari erzählte, dass er und Ritva auf der Rückfahrt Pläne für eine gemeinsame Zukunft geschmiedet hätten. Sie beabsichtigten, in Joensuu ein Bestattungsinstitut zu gründen, denn dort wohnten viele alte und sterbende Menschen. Lindell hatte bereits am Telefon seine Bereitschaft erklärt, Teilhaber des Unternehmens zu werden. Zunächst würde Oskari allein die Firma betreiben, Ritva würde nur am Wochenende von Lieksa nach Joensuu kommen, um die Leichen zu waschen. Wenn dann alles richtig angelaufen wäre, könnte Ritva ihre Arbeit als Lehrerin aufgeben und sich ganz der Aufgabe widmen, die Toten auf ihre letzte Reise vorzubereiten.
    »Ich mag so gern Blumen und elegante Düfte!«, schwärmte Fräulein Nuutinen. Dann sah sie Aaro an und verriet:
    »Stell dir nur vor, Oskari und ich verspürten an einer Tankstelle in Lettland beide gleichzeitig in unseren Herzen so ein seltsames Beben und wussten, dass wir zusammen gehören. Ich werde mich ewig an den Namen der Tankstelle erinnern, sie hieß Neste.«
    »Ich fand es selber komisch, aber ich muss dir als meinem Kumpel eingestehen, dass ich seitdem ganz verrückt nach dieser Tante bin.«
    Oskari stotterte ein wenig, als er das sagte, aber die Stimmung entspannte sich, als Aaro die Hand ausstreckte und dem Paar gratulierte. Viivi fragte, wann Ritva und Oskari heiraten würden.
    »Jedenfalls nicht mehr in diesem Jahr, so haben wir es besprochen, wir müssen erst die Firma richtig zum Laufen bringen, dann wird man sehen«, sagte Oskari.
    »Mindestens fünfzig Tote müssen durch unsere Hände gehen, bevor wir beim Pastor vorzusprechen wagen«, bestätigte Fräulein Nuutinen Oskaris Gedanken.
    »Hundert Tote pro Jahr wären als Vorgabe in Ordnung, das ist im Wirtschaftsgebiet Joensuu durchaus kein unmögliches Ziel«, sinnierte Oskari Mättö hoffnungsvoll. »Aber in diesen Dingen muss man auf dem Teppich bleiben, man weiß nie, wann die Leute sterben und ob sie überhaupt sterben, will sagen, ob sie in unserer Firma landen.«
    Viivi servierte Butterbrote und Ritva goss Tee in die Tassen. Es war richtig gemütlich, und besonders Schutzengel Sulo Auvinen war froh und erleichtert, dass wieder alles in Ordnung kam. Allerdings nagte an ihm die bange Frage, was der Engel Gabriel wohl zu diesem neuesten Vorfall sagen würde. Immerhin war ein ganzes Schiff verunglückt, und es hatte Tote gegeben. Aber letzten Endes waren alle Menschen sterblich. Sulo Auvinen hielt es sogar für möglich, dass der Engel Gabriel alias Unteroffizier Kalle Määttä an seinem himmlischen Arbeitsplatz noch gar nichts von den jüngsten Begebenheiten wusste.
    In Kerimäki wusste man sehr wohl, wo der Schutzengel herumflatterte und was er bewirkt hatte. Am nächsten Morgen machte sich der Engel Gabriel eigenflügelig in die Mechelininkatu auf, um Sulo Auvinen zu treffen. Es war wieder mal Zeit, von Mann zu Mann, von Engel zu Engel miteinander zu reden. Der alte Flügelträger erschrak. Stand jetzt seine Entlassung bevor? Zweifellos hatten nicht alle Schutzmaßnahmen hundertprozentig geklappt. Wenn man es genau
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