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Schuldig wer vergisst

Titel: Schuldig wer vergisst
Autoren: Kate Charles Anke und Dr Eberhard Kreutzer
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dankbar.
    Triona wäre vielleicht nicht gerade begeistert, doch sie würde kommen.

    Zwei Stunden später war das Dokument fertig. Triona O’Neil, Inbegriff professioneller Kompetenz, hatte ein einfaches Testament aufgesetzt und ein paar Krankenschwestern hereingerufen, um Irene Godfreys Unterschrift zu bezeugen. Nur wenige Minuten später hatte die alte Frau die Augen geschlossen und war in Frieden von ihnen gegangen. Frances hatte ein Gebet gesprochen und sich danach mit Triona auf den Weg ins Krankenhaus-Café gemacht, während die Krankenhausmaschinerie sich in Gang setzte und das Bett für den nächsten Patienten frei machte.
    »Komm«, sagte sie, »ich lade dich auf einen Kaffee ein. Und sogar noch auf ein klebriges Rosinenbrötchen, wenn du willst. Du hast es dir verdient.«
    »Du siehst geschafft aus«, sagte Triona geradeheraus. »Wie lange bist du schon hier?«
    Frances schüttelte den Kopf. »Oh, erst seit ein paar Stunden. Normalerweise arbeite ich nicht nachts, aber Mrs Godfrey hat nach mir gefragt, und die Schwestern wussten, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte.«
    So angeschlagen sie selbst sich fühlte, aber Triona sah eindeutig schlimmer aus, als Frances erwartet hätte, selbst wenn man die frühe Stunde berücksichtigte. Auch wenn ihr Haar mit dem strengen Knoten so ordentlich und gepflegt wie immer wirkte, waren die bläulichen Augenringe, die mehr als nur ein oder zwei Stunden Schlafentzug verrieten, nicht zu übersehen.
    Sie kannten sich schon sehr lange, hatten sich aber zwischendurch einmal einige Jahre lang aus den Augen verloren. Frances fiel es immer noch schwer, diese elegante, reife Frau mit der leidenschaftlichen jungen Unruhestifterin in Einklang zu bringen, die Triona früher gewesen war. Sie musste, rechnete Frances nach, ein wenig über dreißig sein. Aus Frances’ Sicht, die auf die fünfzig zuging, in ihren besten Jahren.

    Frances wiederholte ihre Entschuldigung für den frühen Anruf. »Ich wusste mir wirklich nicht anders zu helfen«, sagte sie. »Ich hatte keine Ahnung, was ich sonst machen sollte. Das arme Ding war schrecklich aufgebracht. Und wenn du die Nichte gesehen hättest …«
    Triona winkte ab. »Mach dir keine Sorgen. Du hast mich nicht geweckt, falls du das denkst.«
    »Alles in Ordnung bei dir?«, fragte Frances spontan.
    »Ja.« Triona wandte das Gesicht ab.
    Sie hatten das Café erreicht, in dem es von Krankenhauspersonal wimmelte, das zwischen verschiedenen Tätigkeiten auf einen Happen zu essen und einen Kaffee hereingekommen war. Frances sah sich um und entdeckte einen Tisch, der gerade frei wurde. »Wie wär’s, wenn du dich schon mal hinsetzt, und ich stelle mich an. Was möchtest du trinken? Kaffee oder Tee?«
    »Kaffee, bitte.«
    Ein paar Minuten später war sie mit einem Tablett zurück am Tisch: Kaffee und Brötchen mit Speck. »Ich dachte, wir sollten was essen«, sagte sie. »Ein kleines Frühstück.« Frances erlag nicht oft einer solchen Versuchung, doch der Duft nach Speck war auf einen leeren Magen einfach zu verführerisch gewesen.
    »Danke.«
    »Du isst doch Speck, oder? Heather, meine Tochter, ist Veganerin geworden. Sie würde wahrscheinlich nie wieder mit mir reden, wenn sie sähe, wie ich zulange.«
    »Wie geht’s Heather denn?« Triona nahm einen Teller und einen Henkelbecher vom Tablett.
    »Gut, soweit ich das beurteilen kann. Du weißt, dass sie verheiratet ist? Sie und ihr Mann kommen zu Weihnachten. Dauert also nicht mehr lange.«
    »Doch, ich erinnere mich.«
    »Ich freue mich drauf«, sagte Frances.

    Sie freute sich wirklich, doch das war nur die halbe Wahrheit. Auf der anderen Seite fürchtete sie sich auch ein wenig vor dem Besuch. Sie und Graham sollten ihren neuen Schwiegersohn kennenlernen, einen alternden amerikanischen Aussteiger – mit Pferdeschwanz -, einen Mann namens Zack, der Heather dazu gebracht hatte, jede tierische Nahrung kategorisch abzulehnen. Dieses Weihnachten würde es Nussbraten geben.
    »Geht’s Graham gut?«, fragte Triona.
    »Ja, er hat wie immer viel um die Ohren.«
    »Was ist eigentlich aus Leo geworden?«
    Ihrem lieben Freund Leo Jackson. Frances seufzte unwillkürlich. »Ich denke, es geht ihm den Umständen entsprechend.«
    »Du weißt, ich lese keine Zeitung. Aber ich weiß, dass die Journalisten eine kurze Aufmerksamkeitsspanne haben – die müssten ihn inzwischen doch wohl vergessen haben.«
    »Mehr oder weniger.« Frances nahm einen belebenden Schluck Kaffee. »Er hat sich erst mal
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