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Schützenkönig

Schützenkönig

Titel: Schützenkönig
Autoren: Katrin Jäger
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einen zerknüllten Zettel in die Höhe. »Ha, hier ist die Adresse von den Telgter Nachrichten .«
    »Und was genau wollen wir da?«
    »Na, die Kollegen wissen bestimmt am besten über dieses ganze Schützenfestding Bescheid. Außerdem haben die hier vielleicht ein Archiv, da können wir ein bisschen wühlen und Repros von vergangenen Schützenfesten machen. Ein paar Hintergrundinfos über diese Emanzen-Frau, diese Upphoff, kriegen wir bestimmt auch da – und vielleicht haben die ja auch ein paar Amokfotos. Außerdem geht das Festprogramm ja erst heute Nachmittag richtig los, und jetzt ist es gerade mal zehn. Wir verpassen also nix.«
    »Okay, Chefin. Guter Plan. Ich glaube, wir sind schon in Telgte.«
    Sie fuhren über Kopfsteinpflaster Richtung Zentrum, bogen zweimal rechts ab, an der Backsteinkirche vorbei, folgten dem blauen Schild mit dem P und stellten den Wagen schließlich auf einem großen Parkplatz zwischen einem dunkelgrünen und einem dunkelblauen Golf ab.
    Viktoria suchte gerade nach einem passenden Einheimischen – am besten waren Frauen um die sechzig mit Einkaufskorb geeignet: Die waren meistens redselig und informiert –, um nach der richtigen Straße zu fragen, da sah sie schon den Schriftzug der Telgter Nachrichten .
    »Mein Gott, ist das easy hier«, sagte Mario, der ihn gleichzeitig entdeckt hatte. Sie steuerten auf die Glastür in dem kleinen unscheinbaren Siebzigerjahrebau zu und öffneten sie.
    Eine rothaarige Frau mit großer Brille und Leggings saß hinter einem Tresen und schaute mürrisch auf.
    »Guten Tach, was kann ich für Sie tun?«
    »Mein Name ist Viktoria Latell, das ist mein Kollege Mario Siewers. Wir sind vom Berliner Express und würden gerne unsere Kollegen hier von der Telgter Zeitung …«
    »Von den Telgter Nachrichten .«
    »Ja, genau. Nachrichten. Also wir würden gerne mit den Kollegen sprechen. Sind sie da? Vielleicht jemand aus dem Ressort ›Lokales‹ oder ›Polizei‹ oder ›Vermischtes‹?«
    »Momentchen.«
    Mit ihren für Leggings eindeutig zu dicken Beinen stampfte die Frau durch eine weitere Glastür und rief in den Raum dahinter: »Hey Leute, da sind Reporter aus Berlin. Die wollen jemanden aus ’nem Ressort sprechen.«
    Drinnen wurde laut gelacht.
    Doch sie winkte den Besuch herein. »Gehen Se durch!«
    Viktoria stieß Mario in die Seite, der wie in Hypnose auf die bräunlichen Rankenmusterleggings starrte, und sie traten durch die zweite Glastür.
    An einem großen Doppelschreibtisch saßen sich zwei Männer gegenüber. Der eine, rechts, trug Vollbart, der andere, links, Glatze. Beide waren vielleicht Mitte vierzig, und beide grinsten, als hätten sie den besten Scherz … nein, als wären die Berliner Gäste der beste Scherz des Jahrhunderts. Der mit der Glatze polterte schließlich in jovialem Tonfall los: »Na, da kommen Se mal rein in unsere gute Stube. Äh, ’tschuldigung. Ich meine natürlich in unser Ressort! Also ich bin heute ›Lokales‹ und ›Vermischtes‹ und der da drüben, der Alex, der ist ›Vermischtes‹ und ›Lokales‹. Die Polizei ist ein paar Straßen weiter …« Beide lachten wieder. Ja, ja, Viktoria hatte es begriffen. Das hier war eine Zweimannklitsche. Jeder macht hier alles und überhaupt. Ihr fielen die unendlichen Kaninchenzüchtergeschichten ein, die beinahe jeder Chefredakteur einmal in seinem Leben mit feuchten Augen zum Besten gab. So konnten sie den kleinen Reportern zeigen, dass auch sie mal ganz unten angefangen, dass sie von Vereinsversammlung zu Vereinsversammlung getingelt waren, Kaninchenzüchter- und Taubenzüchtergeschichten geschrieben hatten – und nicht als die abgezockten Medienarschlöcher geboren wurden, die sie jetzt waren. Von der tiefen Provinz, vom kleinen Lokalblatt hatten sie sich alle zum Express durchgekämpft. Viktoria hatte ihnen höflich zugehört, aber es auch gleich wieder vergessen. Jetzt stand sie also mitten in der Wiege aller großen Chefredakteure und hatte sich mit ihren »Ressorts« lächerlich gemacht. Was soll’s! Sie strahlte die beiden Männer mit ihrem Victory-Lächeln an, streckte energisch die rechte Hand raus, drückte beim Schütteln fest zu, und es klappte auch so – ohne Karnickelzuchtverein-Erfahrung.
    Die Glatze ergriff wieder das Wort: »Also, mein Name ist Gregor Clausener. Der Vollbart da heißt Alex Ebelt. Was gibt’s? Ist in Berlin nix mehr los, dass ihr schon hierherkommen müsst?«
    »Auf jeden Fall sind die Frauen da nicht so hübsch«, sagte Mario und
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