Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne
Autoren: John Harvey
Vom Netzwerk:
geschafft hatte.
    »Und Roberts?«, fragte Helen.
    »Unter Bewachung im Krankenhaus. Letzte Nacht ist er am Bauch operiert worden, um die Blutung zum Stillstand zu bringen. Jetzt haben wir jede Menge gegen ihn in der Hand. Wenn Janine Clark einwilligt, gegen ihn auszusagen, und ich glaube, das wird sie tun, gibt es genug, um ihn für lange Zeit hinter Gitter zu bringen.«
    »Irgendwelche Neuigkeiten vom Schauplatz der Suche?«
    Er sah auf die Uhr. »Sie haben heute Morgen in aller Frühe weitergemacht. Ich warte noch auf Informationen.«
     
    Lorraine hatte Richard Fincham, Wills neuen Detective Superintendent, nur einmal zuvor getroffen. An einem jener halb formellen Abende, denen sie meistens mit dieser oder jener Entschuldigung fernblieb. Nicht, dass Fincham nicht reizend gewesen wäre. Gertenschlank, vorzeitig ergraut, war er aus Kent gekommen, wo er sich den Ruf erworben hatte, hart, aber fair zu sein, darauf bedacht, dass die Verfahren korrekt abliefen und die richtigen Kästchen angekreuzt wurden. Noch nicht fünfzig und auf dem Weg nach oben.
    Er begrüßte Lorraine mit einem herzlichen Handschlag und hielt ihre Hand fest, als er sich ernst danach erkundigte, wie sie sich nach den Ereignissen der vergangenen Nacht fühlte.
    »Das ist Detective Sergeant Pearson«, sagte er. »Judy Pearson. Wir haben in Maidstone zusammengearbeitet. Ich hieltes für richtig, wenn sie bei der Befragung dabei ist. Aus Gründen der Unparteilichkeit.«
    Judy Pearson streckte die Hand aus. Sie war Anfang dreißig, stellte Lorraine fest, stämmig, hatte ein hübsches Gesicht, kurz geschnittene, mit Gel frisierte Haare und trug offenbar wenig Make-up.
    »Es geht nicht nur darum, korrekt und fair zu handeln, sondern auch um den Eindruck«, sagte Fincham. »Falls die Dinge mehr nach sich ziehen, als ich glaube. Als sie sollten.«
    Er gab Lorraine ein Zeichen, sich zu setzen.
    »Was meinen Sie damit?«, fragte sie. »Wenn die Dinge mehr nach sich ziehen, als Sie glauben.«
    »Für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft eine Anklageerhebung für geboten hält.«
    »Aber ich habe meine Kinder verteidigt.«
    »Ich weiß, ich weiß. Und wie gesagt, die Chancen, dass es dazu kommt, sind sehr gering. Es sei denn   …«
    »Es sei denn?«
    »Mitchell Roberts stirbt   …«
    »Ist das denn wahrscheinlich? Das Letzte, was ich gehört habe   …«
    »Nein. Auch meinen neuesten Informationen zufolge ist Roberts’ Zustand stabil. Ich sehe keinen besonderen Grund zur Beunruhigung.«
    »Aber ich bin in Haft.«
    »Theoretisch ja.«
    »Also ist das hier   … das hier nur eine Formalität?«
    Fincham lächelte. »Ein bisschen mehr ist es schon.«
    Er setzte sich zurück. »Warum erzählen Sie uns nicht einfach in Ihren eigenen Worten, was genau passiert ist?«
    Lorraine zögerte. Auf die eine oder andere Weise hatte sie diesen Bericht beinahe sofort nach dem Ereignis geprobt, auf jeden Fall, seit sie früh am Morgen aufgewacht war. AlsWill ihr erklärt hatte, was wahrscheinlich passieren würde, dass sie nämlich verhaftet und nach einem Hinweis auf ihre Rechte vernommen werden würde, war sie schockiert gewesen. »Was? Soll das heißen, ich werde wie eine verdammte Kriminelle behandelt? Also gut, hier, hier   …«, sie hatte ihm ihre Handgelenke hingehalten, »…   leg mir Handschellen an, und die Sache ist erledigt.« Es hatte eine Weile gedauert, bis Will sie beruhigen konnte.
    Nach einem etwas unsicheren Start berichtete sie jetzt so genau und nüchtern wie möglich, was passiert war.
    »Danke«, sagte Fincham, als sie fertig war.
    Sie trank von dem Wasser, das bereitstand, und Fincham füllte das Glas auf.
    »Judy«, sagte Fincham und sah über seine Schulter.
    Judy Pearson beugte sich vor. »Mrs Grayson, als Sie Mitchell Roberts mit dem Messer in den Bauch stachen, dem Messer, das Sie aus der Küchenschublade genommen hatten, hat er sie zu diesem Zeitpunkt noch bedroht?«
    »Ja.«
    »Sie   – ich möchte nur feststellen, ob ich das richtig verstanden habe   – Sie haben ihm mit der Flasche ins Gesicht geschlagen, über dem Auge, und dann haben Sie mit dem Messer zugestochen?«
    »Ja.«
    »Eins nach dem anderen: Flasche, Messer.«
    »Ja, aber nicht direkt hintereinander.«
    »Es gab eine Unterbrechung, einen zeitlichen Abstand?«
    »Ich musste das Messer aus der Schublade holen.«
    »Sie mussten das Messer aus der Schublade holen.«
    »Hören Sie, ich verstehe das nicht.« Lorraine richtete ihre Bemerkung an Fincham. »Was soll das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher