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Schottische Ballade

Titel: Schottische Ballade
Autoren: Suzanne Barclay
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hatten, um ihren Anführer zu betrauern, zechten ausgelassen wie an einem Festtag. Laute Lieder und Lachen wetteiferten mit Tränen der Trauer.
    Doch die Gunns tun eben alles bis zur Unmäßigkeit, dachte Rowena, als sie die Horde überblickte und rasch die Kosten für Essen, Trinken und den zerbrochenen Hausrat nachrechnete.
    „He, ist das nicht ein großer Abschied, den wir ihm bereiten?“ rief Finlay Gunn über die Tafel. „Vetter Padruig hätte sich darüber gefreut!“
    Rowena, seit vier Tagen Witwe und voller Angst, wenn sie daran dachte, was vor ihr lag, saß neben dem alten Kämpen an der Hohen Tafel. „Es würde ihn mehr erfreuen, wenn er noch am Leben wäre. Verdammt sei er!“ Sie ließ alle Beherrschung fahren. „Wohin war er bloß gegangen? Warum war er alleine fortgeritten?“ .
    „Geschäfte des Clans“, sagte Finlay, der als Einziger von Padruig ins Vertrauen gezogen worden war. „Du weißt, wie hoch er seine Pflicht hielt.“
    „Pflicht!“ Sie stieß dieses Wort wie einen Fluch hervor. „Männer tragen dieses Banner vor sich her, als ob es ihnen von Gott gegeben wäre, doch dies ist bloß eine Entschuldigung für Abenteuer! “ Die Erinnerung an Lions längst vergangene Sünde schien ihr Herz zu durchbohren. Auch wenn sie Lion Sutherland niemals vergeben konnte, fiel es ihr schwer, ihn zu vergessen. Padruigs Tod, sein böswilliges Verlassen, hatte die Erinnerung wieder zurückgebracht: den Schmerz, die Angst und auch die Wut. Dies alles war wie Salz in einer offenen Wunde. „Die Frauen und Kinder zahlen den Preis dafür, wenn Männer losziehen, um ihrer Pflicht nachzugehen.“
    „Ruhig, Mädchen.“ Finlay legte seine raue Hand auf ihren Arm. „Ich weiß, du trauerst um Padruig und hast Angst vor dem, was die Zukunft bringt, doch das musst du nicht.“
    O doch. Zitternd sank Rowena in dem hochlehnigen Stuhl zurück, der ein verkleinertes Ebenbild jenes Stuhls zu ihrer Rechten war, der Padruig gehört hatte. Sie warf einen Blick auf denjenigen, der jetzt diesen Platz innehatte - den neuen Führer des Clans, Paddy, ihren fünfjährigen Sohn.
    Sein Kopf mit dem roten Haar, das ihn scheinbar als einen Gunn auswies, war über den Tisch gebeugt, wo er mit einem Hafermehlkuchen spielte. Sie betrachtete ihn von der Seite - rundliche Bäckchen, ein energisches Kinn und eine Nase, die viel zu groß war. Eine Nase, die Lucais Sutherland an Lion vererbt hatte und somit weiter an Paddy.
    Er war noch so klein, so verletzlich, so liebenswert. Sie würde alles tun, um ihn zu beschützen. Alles.
    Ihr Blick schweifte zu dem Mann an Paddys Seite. Eneas hatte den Kopf abgewandt. Oft schon hatte Padruig sie vor den Absichten seines Bruders gewarnt, der die Herrschaft über den Clan anstrebte. Das Einzige, was jetzt noch zwischen Eneas und seinem Ziel stand, war Paddy. Angst überfiel Rowena, mehr Angst, als sie jemals in all den Jahren empfunden hatte. Was, wenn Padruig keinem räuberischen Überfall zum Opfer gefallen war? Wenn Eneas ihn getötet hatte? Wenn er plante, nun auch ihren Sohn aus dem Weg zu räumen?
    Ein Tonkrug sauste an ihr vorbei, landete krachend auf dem Boden neben Padruigs Totenbahre und holte ihre Gedanken aus der Vergangenheit in die gefahrvolle Gegenwart zurück. Selbst im Tode blickte Padruig hart und unbeugsam, seine kantigen Züge drückten Missbilligung aus, seine grau-roten Augenbrauen schienen sich über der breiten Nase zu runzeln. Sie hatte ihn nicht geliebt. Sie konnte niemanden mehr lieben, doch Padruig hatte sie beschützt und behütet. Bis jetzt ...
    „Ich muss für Paddys Sicherheit sorgen“, sagte sie leise.
    „Ja und ich helfe dir“, flüsterte Finlay. Er war drei Jahre älter als Padruig, ein Krieger, der einer Knieverletzung wegen das Kämpfen aufgeben musste. Er war mitleidsvoller als ihr Ehemann. Finlay war der Erste gewesen, der sie willkommen geheißen hatte, als sie als verschüchterte Braut angekommen war. Auch jetzt hatte sie Angst, hätte nichts lieber getan, als mit Paddy wegzulaufen und zu den MacBeans zurückzukehren. Doch sie hatte das Recht dazu aufgegeben, als sie Padruigs Vorschlag angenommen und ihn geehelicht hatte. Durch ihren Eid und zum Wohle von Paddys Zukunft war sie mit den Gunns von Hillbrae verbunden bis zum Tage ihres Todes.
    „Ich will dich nicht anweinen, Finlay. Ich mache mir bloß Sorgen.“ Ihr Magen zog sich zusammen. Padruig war ein kalter und gefühlloser Ehemann gewesen, der seine Geliebten ihr vorgezogen hatte, zu ihrem Glück.
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