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Schöne Zeit der jungen Liebe

Schöne Zeit der jungen Liebe

Titel: Schöne Zeit der jungen Liebe
Autoren: Eric Malpass
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Mutter gemalt«, sagte Opa zu Jocelyn. »Furchtbarer Stümper!«
    Zum Erstaunen aller sagte jetzt May: »Nein, ich glaube, lieber nicht, Charles. Trotzdem vielen Dank.«
    Sie lächelte noch, aber um das Kinn herum zeigte sich ein trotziger Zug.
    »Komm, sei kein Spielverderber, Liebling«, sagte Jocelyn. »Ich hätte so gern dein Bild über dem Kamin! « Er war ganz begeistert von der Idee.
    »Als das Bild fertig war, sah deine Mutter darauf aus wie Ophelia in der letzten Szene«, setzte Opa seine Erinnerungen fort.
    »Ich dachte ja bloß, Mr. Bunting würde es gern tun«, sagte Amanda, die alle mit ihren weit auseinanderstehenden schmalen Augen beobachtete. Ihre Augen waren immer unter ihren langen Wimpern verborgen, aber ihr ganzes Gesicht konnte plötzlich überströmen von Fröhlichkeit oder Mitleid, oder Liebe, oder es verriet, wenn sie eine menschliche Schwäche durchschaute.
    »Natürlich würde ich’s gern tun! May, hör doch auf, die Spröde zu spielen. Ich werde dich beim Nähen malen am Kamin.«
    »Ach, und ich dachte«, sagte Jocelyn schüchtern, »in dem blauen Abendkleid - und mit einer Frisur von Mabel Higgins - Madame Teresa.«
    »Und vielleicht auch noch mit dem Hosenbandorden quer über der Brust, wenn’s recht ist«, sagte Charles bissig.
    »Oh, bitte, Mrs. Pentecost, lassen Sie sich doch von Daddy malen!« bat Liz, ganz Feuer und Flamme. Für sie war May Pentecost die schönste und auch die netteste Frau, die sie je kennengelernt hatte. Seit dem Tod ihrer eigenen Mutter war May für sie oft wie eine Freundin oder wie eine zweite Mutter gewesen.
    May ging nicht weiter darauf ein. Sie sagte: »Wenn Gaylord jetzt nicht bald kommt, muß ich...« Aber in diesem Moment rief Amanda: »Da kommt er! Da!« Sie sprang von der Schaukel und vollführte drei schnelle Radschläge im hohen Gras. Alle blickten zur Straße hinunter, wo jetzt ein hochaufgeschossener Schuljunge angeradelt kam.
    Opa hatte recht gehabt. Kaum näherte sich Gaylord, war es mit der friedlichen Ruhe aus und vorbei. May und Jocelyn sammelten die Zeitschriften ein, Charles Bunting legte die Farben beiseite, und sogar die Sonne verschwand hinter dem Horizont. Amanda war immer noch dabei, Rad zu schlagen, und stieß dazu schrille, vogelartige Freudenschreie aus. Nur Liz Bunting saß regungslos auf ihrem Stuhl und sah so aus, als ob ihr das Atmen schwerfiele.
    Wie gern, wie gern wäre sie an die Pforte gerannt, um sich zu überzeugen, ob er wirklich so gut aussah und so nett war, wie er in ihrer Erinnerung lebte! Und um festzustellen, ob er sich in dem Dreizehn-Wochen-Semester sehr verändert hatte. Für sie waren es dreizehn Wochen voll langer unausgefüllter Tage gewesen, verlorene Sommertage, weil Gaylord nicht dagewesen war. Und nun kam er zurück - wie gern wäre sie hingelaufen, um ihn zu begrüßen. Aber sie traute sich nicht. Und so blieb sie im Garten, still wie der Sommerabend und in eine Zeitschrift vertieft, und wartete darauf, daß endlich ein Schatten über die Seiten fiel. Dann würde sie aufblicken und ganz erstaunt rufen: >Ach, du bist’s, Gaylord! Du hast mich aber erschreckt.«
    Amanda war solche Zurückhaltung fremd. Sie stürzte ins Haus und vorn hinaus auf den Vorplatz und fiel dem sonnenverbrannten Jungen um den Hals. »Gaylord! Wir sind hinten im Garten. Mr. Bunting will Mummy gern malen, aber sie will nicht, komisch, nicht? Irgendwelche Hemmungen, nehme ich an, meinst du nicht auch? Bist du versetzt, Gaylord?«
    Gaylord Pentecost trug seinen Schulblazer und die graue Flanellhose, und die Mütze saß schief auf seinem Kopf. Er lächelte ernst: jeder Zoll der lässig-wür-devolle Oberschüler. Doch sogar Oberschüler können zuweilen, wenn niemand aufpaßt, ihre Würde vergessen, und das tat Gaylord jetzt: Er nahm die jubelnde Amanda huckepack und lief mit ihr in den Garten.
    »Gaylord!« rief May und streckte ihm die Hände entgegen. »Wie schön, daß du da bist!«
    Er nahm ihre Hände und schwang sie hin und her. »Tag, Mum!« Er beugte sich über sie und gab ihr einen Kuß aufs Haar. »Du wirst ja schon ganz grau, Mum! «
    »Ja, ich weiß.«
    »Henry Bartlett sagt, seine Mutter hat noch genauso schwarzes Haar wie mit siebzehn. Sie kauft so ein Zeug in der Drogerie - ich kann ihn ja mal fragen, wie es heißt, wenn du willst.« Er hockte sich auf einen Stuhlrand und ließ seine begeisterte Schwester ins Gras rollen.
    »Tag, Dad, Tag, Großvater, Tag, Mr. Bunting. Wenn Sie meine Mutter malen, hat sie dann wie bei
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