Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schöne Scheine

Schöne Scheine

Titel: Schöne Scheine
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
ihm damit drohen, meine vertrauenswürdigsten Buchhalter zu ihm zu schicken, um die Kassen des Postamts zu prüfen, wobei sie, da bin ich mir sicher , Hinweise auf die eklatantesten Unterschlagungen finden werden? Glaubst du, sie würden beispielsweise feststellen, dass der komplette Pensionsfonds des Postamts verschwunden ist? Glaubst du, ich würde der Welt gegenüber meine Bestürzung darüber zum Ausdruck bringen, dass der Schuft Lipwig dem Strick des Henkers mit Unterstützung unbekannter Personen entkommen konnte? Glaubst du, um es zusammenzufassen, ich würde ihm erklären, wie leicht ich einen Mann so tief zu Boden stürzen lassen kann, dass seine ehemaligen Freunde in die Knie gehen müssen, wenn sie auf ihn spucken wollen? Ist es das, was du angenommen hast, Drumknott?«
    Der Sekretär blickte zur Decke hinauf. Seine Lippen bewegten sich etwa zwanzig Sekunden lang, während Lord Vetinari mit seinem Papierkram weitermachte. Dann senkte er den Blick und sagte: »Ja, Euer Lordschaft. Das fasst es recht treffend zusammen, glaube ich.«
    »Aber es gibt doch viel mehr als nur eine Möglichkeit, jemanden auf die Folterbank zu spannen, Drumknott.«
    »Mit dem Gesicht nach oben oder nach unten, Euer Lordschaft?«
    »Vielen Dank, Drumknott. Ich weiß deinen kultivierten Mangel an Phantasie sehr zu schätzen, wie du weißt.«
    »Ja, Herr. Danke, Herr.«
    »Am besten ist es, Drumknott, wenn man ihn dazu bringt, die Folterbank mit eigenen Händen zu bauen und selbst am Rad zu drehen.«
    »Ich weiß nicht recht, ob ich dir folgen kann, Euer Lordschaft.«
    Lord Vetinari legte den Schreibstift beiseite. »Du musst die individuelle Psyche des Betreffenden berücksichtigen, Drumknott. Jeder Mensch ist so etwas wie ein Schloss, zu dem es einen Schlüssel gibt. Ich setze große Hoffnung in Herrn Lipwig, wenn es demnächst zu Auseinandersetzungen kommt. Er verfügt immer noch über die guten Instinkte eines Verbrechers.«
    »Woran erkennst du das, Herr?«
    »Ach, es gibt jede Menge kleiner Hinweise, Drumknott. Aber ich glaube, ein ziemlich überzeugender Beweis ist, dass er vorhin deinen Schreibstift mitgenommen hat.«
    Es gab Sitzungen. Es gab ständig Sitzungen. Und sie waren langweilig, was zum Teil der Grund war, warum es Sitzungen gab. Langweiler waren gern in Gesellschaft.
    Es gab nicht mehr nur das Postamt, sondern Dienststellen, Niederlassungen und Filialen. Viele Filialen. Jetzt brauchte man für diese Filialen Personal, man brauchte Dienstpläne, Gehälter und Pensionen, man brauchte Leute, um die Gebäude instand zu halten, Putzkolonnen, die nachts kamen, und Zeitraster für die Briefkastenleerung und Disziplin und Investitionen und so weiter und so fort...
    Feucht blickte niedergeschlagen auf einen Brief von einer gewissen Frau Estressa Teilwicht vom Komitee für gleiche Höhe. Offensichtlich beschäftigte das Postamt nicht genügend Zwerge. Feucht hatte, durchaus zu Recht, wie er fand, darauf hingewiesen, dass jeder dritte Mitarbeiter ein Zwerg war. Sie hatte erwidert, dass das an der Sache vorbeiging. Es ging darum, dass Zwerge durchschnittlich nur zwei Drittel der Körpergröße von Menschen erreichten, und deshalb sollte das Postamt als verantwortungsbewusste behördliche Autorität vier Drittel Zwerge für jeden menschlichen Angestellten beschäftigen. Das Postamt muss den Zwergen die Hand entgegenstrecken, meinte Frau Teilwicht.
    Feucht nahm den Brief mit spitzen Fingern und ließ ihn zu Boden fallen. Nicht entgegen , Frau Teilwicht, sondern zu ihnen hinunter.
    Im Brief hatte auch etwas über Grundwerte gestanden. Er seufzte. So weit war es schon gekommen. Er war eine verantwortungsbewusste Autorität, und die Leute konnten ihm ungestraft mit Begriffen wie »Grundwerte« kommen.
    Trotzdem war Feucht gewillt, daran zu glauben, dass es Leute gab, die ein stilles Vergnügen dabei empfanden, Tabellen voller Zahlen zu studieren. Er zählte allerdings nicht zu ihnen.
    Es war schon Wochen her, seit er seine letzte Briefmarke entworfen hatte! Und viel länger, seit er diesen Kitzel, das Kribbeln, das erhebende Gefühl empfunden hatte, weil eine Betrügerei langsam Wirkung zeigte und er jemanden übers Ohr hauen würde, der glaubte, ihn übers Ohr zu hauen.
    Alles war so ... ehrenwert geworden. Und erstickend.
    Dann dachte er an heute Morgen und lächelte. Nun gut, er hatte in der Klemme gesessen, aber die schattenhafte Bruderschaft für nächtliche Kletteraktionen erachtete das Postamt als besondere Herausforderung.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher