Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schöne Scheine

Schöne Scheine

Titel: Schöne Scheine
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
gewollt. Der Mann wirkte wie hypnotisiert, aber wenn jemand ein Bild von einem macht, konnte das leicht passieren. Nur irgendein Gast auf irgendeiner Veranstaltung ...
    Außerdem hatte man das Bild nur deshalb auf Seite eins gebracht, weil jemand entschieden hatte, dass die Titelgeschichte, in der es um eine neue Bankenpleite und eine Menge wütender Kunden ging, die den Bankdirektor auf offener Straße hängen wollten, einer Illustration nicht würdig war. Hatte der Chefredakteur vielleicht den Anstand besessen, ein Bild dieses Ereignisses und etwas Glanz ins Leben der Leser zu bringen? Oh nein, es musste unbedingt ein Bild des unseligen Feucht von Lipwig sein!
    Und wenn die Götter einmal entschieden hatten, jemanden in den Matsch zu werfen, konnten sie es sich nicht verkneifen, auch noch Blitz und Donner hinterherzuschicken. Etwas weiter unten auf der Titelseite stand die Schlagzeile BRIEFMARKENFÄLSCHER SOLL GEHÄNGT WERDEN. Man wollte Eulrich Janken hinrichten, und weswegen? Wegen Mordes? Nein, nur weil er ein paar hundert Briefmarkenbögen hergestellt hatte. Sogar in bester Qualität. Die Wache hätte ihm niemals etwas nachweisen können, wenn sie nicht auf seinen Dachboden gestürmt wären und dort ein halbes Dutzend Bögen mit roten Halb-Cent-Marken gefunden hätten, die er zum Trocknen aufgehängt hatte.
    Und Feucht hatte deswegen sogar vor Gericht ausgesagt. Ihm war gar nichts anderes übrig geblieben. Es war seine Bürgerpflicht. Das Fälschen von Briefmarken galt als genauso schlimm wie das Fälschen von Münzen, und er hatte sich nicht davor drücken können. Schließlich war er der Postminister und damit eine angesehene Persönlichkeit der Gesellschaft. Er hätte sich ein klein wenig besser gefühlt, wenn der Mann geflucht oder ihn böse angestarrt hätte, aber er hatte nur auf der Anklagebank gesessen, ein kleiner Mann mit dünnem Bart, der einen verlorenen und verwirrten Eindruck machte.
    Es war kaum zu glauben, aber er hatte Briefmarken zu einem halben Cent gedruckt! Es konnte einem wirklich das Herz brechen. Nun gut, er hatte auch höhere Werte gefälscht, aber wer würde all diese Widrigkeiten für einen halben Cent auf sich nehmen? Eulrich Janken hatte es getan, und nun hockte er in einer Todeszelle im Kittchen und konnte noch ein paar Tage lang über die Grausamkeit des Schicksals nachgrübeln, bevor man ihn hinausführte und aufhängte.
    Alles schon selber erlebt, dachte Feucht. Alles wurde dunkel - und dann fing ein ganz neues Leben für mich an. Aber er hätte niemals gedacht, dass es so schlimm sein würde, ein rechtschaffener Bürger zu sein.
    »Äh ... danke, Gladys«, sagte er zu der Gestalt, die in betont vornehmer Haltung über ihm aufragte.
    »Du Hast Jetzt Einen Termin Mit Lord Vetinari«, sagte der Golem.
    »Ich bin mir sicher, dass dem nicht so ist.«
    »Draußen Stehen Zwei Wachen, Die Sich Sicher Sind, Dass Dem So Ist, Herr Lipwig«, grollte Gladys.
    Ach, dachte Feucht. So eine Art Termin.
    »Und diesen Termin scheine ich genau jetzt in diesem Augenblick zu haben?«
    »Ja, Herr Lipwig.«
    Feucht griff nach seiner Hose, und ein schwacher Rest seiner anständigen Erziehung ließ ihn zögern. Er blickte auf den Berg aus blauer Baumwolle, der vor ihm aufragte.
    »Darf ich bitten?«, sagte er.
    Gladys drehte sich um.
    Sie besteht aus einer halben Tonne Ton, dachte Feucht bedrückt, während er sich in seine Kleidung kämpfte. Und Wahnsinn ist ansteckend.
    Nachdem er sich fertig angezogen hatte, eilte er die Treppe hinunter und auf den Kutschenhof hinaus, der vor kurzem beinahe zu seiner vorletzten Ruhestätte geworden wäre. Die Postkutsche nach Quirm fuhr soeben los, und er sprang zum Kutscher hinauf, nickte dem Mann zu und saß während der Fahrt in seiner ganzen Pracht neben ihm. Sie ratterten den Entgegengesetzten Breiten Weg entlang, bis er vor dem Haupteingang des Palasts hinuntersprang.
    Es wäre nett, dachte er, während er die Treppe hinaufeilte, wenn Seine Lordschaft gelegentlich in Erwägung ziehen würde, dass eine Verabredung etwas war, das von mehr als nur einer Person getroffen wurde. Aber schließlich war er ein Tyrann. Für irgendetwas musste dieser Beruf ja gut sein.
    Drumknott, der Sekretär des Patriziers, wartete bereits vor der Tür zum Rechteckigen Büro und geleitete ihn eilig zum Stuhl vor dem Schreibtisch Seiner Lordschaft.
    Nachdem er neun Sekunden lang emsig geschrieben hatte, blickte Lord Vetinari von den Papieren auf.
    »Ach, Herr Lipwig«, sagte er.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher