Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schöne Scheine

Schöne Scheine

Titel: Schöne Scheine
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
hinunterschauen, aber die Geräusche von unten deuteten darauf hin, dass Stallknechte und Kutscher außer Dienst herbeischlenderten. Das war nicht gerade hilfreich für ihn. Kutscher trafen Diebe meist auf einsamen Straßen, wo sich die Wegelagerer nur selten mit albernen Fragen wie »Geld oder Leben?« aufhielten. Wenn dann einer geschnappt wurde, gingen Recht und Rache meist eine fröhliche Verbindung in Form eines handlichen Bleirohrs ein.
    Unter ihm war Gemurmel zu hören, und wie es schien, war man zu einer Übereinkunft gelangt.
    »Also gut, Herr Posträuber«, rief eine gut gelaunte Stimme. »Wir werden es folgendermaßen machen, ja? Wir gehen ins Haus, und dann lassen wir dir ein Seil runter. Ich meine, das ist doch recht und billig, oder?«
    »Völlig richtig, Boss.«
    Es war die falsche Art von guter Laune. Es war eher die Art guter Laune in dem Wort »Kumpel« wie in »Was guckst du mich so an, Kumpel?«. Die Diebesgilde bezahlte eine Kopfgeldgebühr in Höhe von zwanzig Dollar für jeden nicht akkreditierten Dieb, den man ihr lebend brachte, und es gab sehr viele Möglichkeiten, wie man noch einigermaßen am Leben sein konnte, nachdem man ordentlich in die Mangel genommen worden war.
    Er blickte hinauf. Das Fenster der Wohnung des Postministers befand sich genau über ihm.
    Also ... gut.
    Seine Hände und Arme waren taub geworden, aber gleichzeitig schmerzten sie. Er hörte das Rattern des großen Lastenaufzugs im Gebäude, den Knall einer aufgeworfenen Luke und Schritte auf dem Dach, dann spürte er, wie das Seil seinen Arm berührte.
    »Halt fest oder stürz ab«, sagte eine Stimme, als er sich abstrampelte, um danach zu greifen. »Auf lange Sicht läuft es sowieso auf dasselbe hinaus.« In der Dunkelheit war Gelächter zu hören.
    Die Männer zogen kräftig am Seil. Die Gestalt baumelte in der Luft, dann stieß sie sich von der Wand ab und schwang zurück. Glas zersplitterte knapp unter der Regenrinne. Das Seil kam hoch, aber es hing niemand mehr dran.
    Die Retter blickten sich verdutzt an.
    »Also gut, ihr beide zur Vorder- und zur Hintertür, schnell!«, sagte ein Kutscher, der nicht so schwer von Begriff war wie die anderen. »Schneidet ihm den Weg ab! Fahrt im Aufzug runter! Wir anderen durchkämmen Stockwerk um Stockwerk!«
    Als sie die Treppe hinunterstürmten und durch die Flure rannten, steckte ein Mann im Morgenmantel den Kopf durch die Tür eines Zimmers und blickte sie voller Erstaunen an. »Wer zur Hölle seid ihr?«, blaffte er sie an. »Weiter, schnappt ihn euch!«
    »Ach ja? Und wer bist du?«, fragte ein Stallknecht, während er langsamer wurde und ihn finster anfunkelte.
    »Das ist Herr Feucht von Lippwick!«, rief ein Kutscher aus dem Hintergrund. »Der Postminister höchstpersönlich!«
    »Jemand ist durch mein Fenster gekracht. Er landete genau zwischen ... ich meine, er wäre fast auf mir gelandet!«, empörte sich der Mann im Morgenmantel. »Er ist durch den Flur geflüchtet! Zehn Dollar für jeden von euch, wenn ihr ihn ergreift! Und übrigens heiße ich Lipwig!«
    Damit hätte die Stampede wieder einsetzen müssen, aber dann sagte der Stallknecht in misstrauischem Tonfall: »Komm, sag doch mal das Wort >Boss<.«
    »Worauf willst du hinaus?«, fragte der Kutscher.
    »Er klingt fast wie dieser Kerl«, sagte der Stallknecht. »Und er ist ziemlich außer Atem!«
    »Bist du blöde?«, sagte der Kutscher. »Das ist der Postminister! Er hat einen verdammten Schlüssel! Er hat alle Schlüssel! Warum sollte er in sein eigenes Postamt einbrechen?«
    »Ich finde, wir sollten mal einen Blick in sein Zimmer werfen«, sagte der Stallknecht.
    »Wirklich? Nun, ich finde, wenn Herr Lipwig in seinem eigenen Zimmer außer Atem gerät, ist das ganz allein seine Angelegenheit«, sagte der Kutscher und zwinkerte Feucht bedeutungsvoll zu. »Und ich finde, dass uns zehn Dollar pro Nase entgehen, nur weil du so ein Blödmann bist. Tut mir leid, Herr«, sagte er zu Lipwig, »er ist neu, und er hat keine Manieren. Wir lassen dich jetzt in Ruhe, Herr«, fügte er hinzu und tippte sich an die Schläfe. »Und nochmals Entschuldigung, falls wir dir Unannehmlichkeiten bereitet haben. Jetzt macht, dass ihr weiterkommt, ihr Mistkerle!«
    Als sie außer Sichtweite waren, kehrte Feucht in sein Zimmer zurück und verriegelte sorgfältig die Tür.
    Wenigstens verfügte er über einige nützliche Fähigkeiten. Die leise Andeutung, dass sich eine Frau in seinem Zimmer befand, hatte eindeutig den Ausschlag gegeben. Auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher