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Schöne Bescherung

Schöne Bescherung

Titel: Schöne Bescherung
Autoren: Sobo Swobodnik
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jetzt wissen, dass Plotek im Prinzip ein guter Schläfer war. Überall konnte er schlafen: auf Bahnhöfen, in Gaststätten, Zügen, Bussen, auf Parkbänken, sogar auf einem Zahnarztbehandlungsstuhl ist er schon eingeschlafen. Das Problem bei Plotek war in der Regel nicht der Ort, auch nicht die Zeit. War die Zeit reif, schloss er die Augen und dann: gute Nacht. Das Problem war vielmehr personeller Natur. Kaum ein Auge brachte er zu, wenn ein anderer Mensch mit ihm im Bett lag. Es musste nicht mal ein Mensch sein, ein anderes Lebewesen genügte schon. Selbst wenn Ploteks Katze Fritz ihrem seltenen Bedürfnis nach Geselligkeit nachkam und sich in der Nacht ans Fußende in sein Bett schmuggelte, wachte Plotek sofort auf. Natürlich flog Fritz dann in hohem Bogen wieder raus – aber Plotek konnte trotzdem nicht mehr einschlafen. Einschlafen konnte er auch nicht, wenn eine Frau neben ihm lag. Das kam bei Plotek früher selten vor. Eigentlich nie. Jetzt schon. Jetzt lag Agnes oft neben ihm. Seit der Auseinandersetzung im Froh und Munter nicht mehr – zumindest nicht leibhaftig. Dennoch schlief Plotek so schlecht, als ob Agnes ihm jede Nacht das Plumeau wegnehmen und ihm außerdem nur ein Fitzelchen Platz übrig lassen würde. Sogar noch schlechter. So schlecht, als ob ihm Agnes überhaupt keinen Platz lassen würde, nicht im Bett, nicht im Zimmer, nicht in der Wohnung – nirgends. Agnes war überall – gedankenfüllend im Kopf. Und da hat sie weitergestritten. Aber nicht nach der alten walterjensschen Methode: quasseln, bis der andere kapituliert. Nein, jetzt ist sie viel subtiler und auch gemeiner vorgegangen. Sie hat sich in seine Hirnwindungen verbissen und sich an den Nervensträngen entlanggeknabbert wie an einem Knäckebrot, in wachem Zustand wie im schlafenden – eigentlich immer. Die Folge war: zuerst kein Schlaf, dann Schuldgefühle, Gewissensbisse, Selbstzweifel, Selbstanklagen und Selbstvorwürfe bei Plotek – quasi das Selbst am Arsch! Zuletzt allumfassende, hundsmiserable Gewissensqualen. Und die schlugen sich nicht nur auf sein Schlafverhalten nieder, die nahmen auch sein ganzes Gemüt in den Schwitzkasten. Folge: Schmerzen. Psychisch und physisch. Schwitzen, Schüttelfrost, Bauchweh, Schädelweh, Übelkeit, Durchfall. Wenn Plotek nicht im Bett lag, saß er auf dem Klo. Oder umgekehrt. Dazwischen guckte er fern. Jetzt seit Tagen. Tag und Nacht – seit dem unglückseligen Vorfall mit Agnes im Froh und Munter .
    Plotek hatte sich, nachdem Agnes fluchtartig das Froh und Munter verlassen hatte, an Ort und Stelle so betrunken, dass er noch vor der Sperrstunde vom Barhocker rutschte. Das Letzte, was Plotek sah, war sein halbvolles Weißbierglas. Dann sah er nichts mehr. Hörte nichts mehr. Spürte nichts mehr. Und dachte auch nichts mehr. Hätte er noch gedacht, hätte er denken müssen: So ist es, wenn einem kurzzeitig – oder langfristig – die Birne ausgeknipst wird, also: nichts, nichts mehr. Gar nichts mehr. Vor dem Tresen ist er dann wie ein ausgespuckter Speichelbatzen zu liegen gekommen. Zuerst hat es gar niemand gemerkt – so klein und unscheinbar als Häufchen Elend saß Plotek schon nach Agnes’ Auftritt im Eck. Quasi gar nicht mehr da. Ferdinand Schnabel schien auch plötzlich wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Erst als Plotek längere Zeit keinen Tequila mehr bestellt hatte, hat sich Susi gewundert, über den Tresen gebeugt und Plotek unter dem Barhocker liegen sehen. Trotz Rufen, Schütteln und Tätscheln ist Plotek nicht zu sich gekommen. Das Einzige, was von ihm kam, war ein leises, gleichmäßiges Schnarchen. Haben sie ihn einfach liegen lassen bis zur Sperrstunde. Anschließend auf eine Sackkarre gelegt und ihn wie ein Bierfass nach Hause gerollt, ins Bett, und ihn seinen Träumen überlassen – bei geschlossenen Augen. Und dann bei offenen Augen dem Fernseher. Plotek guckte sich die Augen wund. Gerichtsshows. Das Strafgericht. ›Das Familiengericht.‹ ›Das Jugendgerichte ›Hör mal, wer da hämmerte ›Do it your-self – SOS.‹ ›Teleshopping.‹
    Dann ›Akte offen‹ – neues Magazin, neues Format. Quasi Aktenzeichen XY‹ auf regionaler Basis oder Aufruf zum Täterfangen im Landkreis. ›Die Kriminalpolizei bittet um Mithilfen Der kleine Denunziant im Zuschauer sollte aktiviert werden. Petzen als Volkssport. Zu diesem Zwecke wurden ein Bankräuber und die verwackelte Videoaufnahme der Überwachungskamera gezeigt, dann ein Verkehrsunfall mit Fahrerflucht und
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