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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen
Autoren: Dietrich Weichold
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war gut so. Die Strecke über Bebenhausen nach Tübingen wäre doch zu lang gewesen. Aber die Tatsache, dass er zum zweiten Mal einen Toten entdeckt hatte, einfach so aus purem Zufall, brachte ihn ins Grübeln. Den meisten Menschen passiert das nie, warum mir dann gleich zweimal, fragte er sich und fand keine Antwort.

2
    Als die Tübinger Kriminalpolizei das Tal heraufgefahren kam, stand die Sonne schon ziemlich schräg. Über die Wiesen an der Neuen Brücke, die Grillstelle und den überdachten Sitzplatz breiteten sich zusehends lange Schatten aus. Die Luft war kühl und klar. Schon von weitem sah Hauptkommissar Schnaidt den Suzuki-Jeep des Revierförsters etwas abseits von dem Grillplatz stehen.
    »Gut, dass von der Forstverwaltung auch schon einer da ist«, sagte er zu seinem Kollegen Merz.
    »Hoffen wir bloß, dass die Spusi auch bald kommt. Wann wird es heute dunkel?«
    »So gegen fünf, würde ich sagen.«
    »Dann kann man nur hoffen, dass sie nicht zu lange auf sich warten lassen.«
    Als die beiden Polizisten ausstiegen, kam ihnen der Revierförster ein paar Schritte entgegen, begrüßte sie und stellte sich vor.
    »Gerd Schroeder, ich bin der Revierförster hier.«
    Schnaidt und Merz grüßten zurück und stellten sich vor.
    »Schön, dass Sie schon da sind. Dann können wir Sie gleich einiges fragen. Wie lange sind Sie schon hier?«, begann Schnaidt sofort die Befragung.
    »Seit kurz nach eins. Ich habe den Toten aber auch schon um elf dasitzen sehen. Nur bin ich da einfach vorbeigefahren. Als er dann zwei Stunden später immer noch so dasaß, dachte ich beim Weiterfahren: ›Hoppla, da stimmt irgendwas nicht.‹ Ich habe angehalten und meinen Hund herausgelassen. Der ist sofort hingelaufen und hat gebellt, wie ich ihn noch nie habe bellen hören. Ein Stück Wild verbellt er ganz anders. Da habe ich gleich gewusst, was los ist.«
    Schroeder hatte seinen schwarzgrauen Großen Münsterländer bei der Grillstelle an einen Baum gebunden. Dort stand er, kläffte und winselte aufgeregt. Schroeder strich ihm im Vorbeigehen über den Kopf, aber der Hund beruhigte sich nicht.
    »Schauen Sie sich einmal den Zettel an. Der ist von dem Mann, der Sie alarmiert hat.«
    Schroeder deutete auf OWs Zettel, der immer noch an derselben Stelle lag. Schnaidt las ihn und grinste. Er schien sich zu amüsieren.
    »Was lachen Sie? Das ist doch völlig korrekt. Was hätte er denn sonst machen sollen?«
    »Habe den Toten bereits so gefunden, wie er dasitzt«,
las Schnaidt vor. »Klingt gut. Aber woher wissen wir denn, ob ihn nicht inzwischen jemand anders hingesetzt hat?«
    »Das kann ich Ihnen sagen. Ich war kurz nach eins hier, um genau zu sein, 13.10 Uhr, und habe ja bloß angehalten, weil mir auffiel, dass er nach zwei Stunden noch so dasaß wie vorher. Dieser Otto Wolf war ein bisschen ungeduldig. Wenn er nur eine Viertelstunde gewartet hätte, dann hätte er den Zettel nicht schreiben müssen.«
    »Stimmt. Und vor allem hätte er nicht den Stich nach Breitenholz hochfahren müssen, der Arme. Er hat von dort oben aus unsere Böblinger Kollegen angerufen und war völlig fertig. Zu langen Beschreibungen hat er keine Zeit gehabt. Den befragen wir morgen.«
    Inzwischen war Merz an den Toten herangetreten und hatte versucht, seinen Arm zu bewegen.
    »Totenstarre«, konstatierte er. »Ich würde annehmen, dass er schon länger hier sitzt, vielleicht sogar seit gestern. Was meinen Sie, wie kalt es heute Nacht war?«
    »Schwer zu sagen. Gestern war es ja relativ warm, aber heute früh gab es Reif. Von sechs bis gegen elf hatte es wahrscheinlich knapp unter null Grad. Ich kann mich aber auch täuschen. Und da der Tote an einer geschützten Stelle sitzt, war es vielleicht ein bisschen wärmer um ihn herum.«
    »Waren Sie gestern hier?«
    »Nein. Das muss drei Tage her sein, dass ich das letzte Mal hier vorbeigekommen bin. Wir haben zurzeit einen anderen Distrikt in Arbeit. Aber zwischendurch sind sicher ein paar von unseren Waldarbeitern vorbeigekommen, die ihn hätten sehen können. Dass er schon tagelang hier sitzt, glaube ich eigentlich nicht.«
    »So sieht er auch nicht aus«, meinte Schnaidt. »Man könnte ja fast meinen, dass er schläft. So friedlich sieht er aus.«
    »Deswegen bin ich auch das erste Mal vorbeigefahren, ohne irgendwas zu merken.«
    Schnaidt nickte nachdenklich mit dem Kopf.
    »Und was meinen Sie?«, fragte der Förster.
    »Erst mal gar nichts. Natürlicher Tod, Selbstmord, Mord – das kann alles sein. Mal abwarten,
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