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SCHÖN!

SCHÖN!

Titel: SCHÖN!
Autoren: Rebekka Reinhard
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Interesse (in diesem Fall: der Hunger) kommt ihm in die Quere.
    Zwar kann für Kant das Geschmacksurteil » nicht anders als subjektiv sein«. Aber er stellt auch fest, dass jeder, der etwas schön findet, dieses Urteil am liebsten als allgemeingültig ausgeben will: »Das Geschmacksurteil selbst postuliert nicht jedermanns Einstimmung (denn das kann nur ein logisch allgemeines, weil es Gründe anführen kann, tun); es sinnet nur jedermann diese Einstimmung an …« Und: »Wer etwas für schön erklärt, will, dass jedermann dem vorliegenden Gegen stand Beifall geben und ihn gleichfalls als schön erklären solle .«
    Um dieses Phänomen zu begründen, geht Kant von einem »Gemeinsinn« für das Schöne aus. Der philosophisch auf geklärte Mensch soll versuchen, den anderen mitzuteilen, was er als schön empfindet – vor allem auch deshalb, weil das Schöne jenseits des subjektiven Geschmacks »Symbol des Sittlich-Guten« sei. Der »echte Geschmack« hat für Kant viel mit Humanität und moralischer Kultur zu tun.
    Die Entzauberung des Schönen
    Im 19 . Jahrhundert nehmen zwei philosophische Originalgenies eine radikale Umwertung am Schönen vor. Für den Pessimisten Arthur Schopenhauer ( 1788 – 1860 ) ist besonders das Kunstschöne – Poesie, Malerei, Musik – ein Heilmittel oder »Quietiv« gegen das Leiden der menschlichen Existenz. Seiner Meinung nach steht die Welt unter dem Gesetz des allmächtigen »Willens«. In seinem Werk Die Welt als Wille und Vorstellung beschreibt er den Willen als allgegenwärtiges Naturprinzip, das sich beim Menschen vor allem in den körperlichen Funktionen äußert, Verdauung, Atem, Hunger oder Sexualität: Der Wille ist ein bewusstloser Trieb zum Leben, der allerdings beim Menschen nicht lebenserhaltend wirke, sondern selbstzerstörerisch. Der Wille verwandelt das Leben jedes Einzelnen in ein »Trauerspiel«. Denn wer Tag für Tag von seinen leiblichen Begierden gelenkt wird, kann sich nicht der Erkenntnis von Wahrheit widmen.
    Nur die Faszinationskraft des Schönen kann aus dieser Misere heraushelfen – denn nur die »ästhetische Kontemplation« erlaubt es, sich von den Bedingtheiten des Daseins zu befreien (wenigstens zeitweise). Dabei ist Schönheit nicht nur auf die Künste beschränkt: »Das ästhetische Wohlgefallen (ist) wesentlich eines und dasselbe, es mag durch ein Werk der Kunst oder unmittelbar durch die Anschauung der Natur und des Lebens hervorgerufen sein.«
    Laut Schopenhauer kann letztlich alles als schön betrachtet werden – jeder Gegenstand, in den sich der Mensch kontemplativ versenkt.
    Auch für Friedrich Nietzsche ( 1844 – 1900 ) haben Schönheit und Kunst eine überlebensnotwenige Bedeutung. Allein die Kunst bewirkt, dass sich der Mensch von den »Ekelgedanken über das Entsetzliche oder Absurde des Daseins« lösen kann. Nietzsche schreibt (mit einem indirekten Seitenhieb gegen Platon):
    »An einem Philosophen ist es eine Nichtswürdigkeit zu sagen: das Gute und das Schöne sind eins: fügt er gar noch hinzu: ›auch das Wahre‹, so soll man ihn prügeln. Die Wahrheit ist hässlich: wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen.«
    In Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik unterscheidet Nietzsche zwei ästhetische Prinzipien: Das »Apollinische« ist der Ort des schönen Scheins und der Harmonie, es steht für Kunstgattungen wie Architektur, Plastik oder Epos. Das »Dionysische« repräsentiert dagegen die Welt der Musik, zu ihm gehören Rausch, Ekstase und dunkle Triebhaftigkeit. Genau in dieser rauschhaften Energie sieht Nietzsche den eigentlichen Wert der Kunst. Die Kunst wie das Leben sollen keine Erholung und kein Zeitvertreib sein, sondern ein ständiges Fest, ein permanenter Glückszustand. Man muss kein Genie sein, um ästhetisch lustvoll zu leben. Schön zu leben liegt in der Hand jedes Einzelnen, denn »alle Menschen sind künstlerisch«.
    Die Krise des Schönen
    Im 20 . Jahrhundert wird aus der Umwertung des Schönen eine Abwertung. Angesichts der Gräueltaten der Nationalsozialisten und dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs ist fraglich, ob Schönheit in dieser Welt überhaupt noch einen Platz haben darf. »Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben ist barbarisch«, so Theodor W. Adorno ( 1903 – 1969 ). Für den auch als Komponisten tätigen Philosophen ist das Dissonante, Disharmonische, Bruchstückhafte, Zerrüttete das Kennzeichen der Moderne. In seiner Ästhetischen Theorie kritisiert er das neue
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