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Schön scheußlich

Schön scheußlich

Titel: Schön scheußlich
Autoren: Natalie Angier
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vollzogen.
    Natürlich verdienen sich die Männchen ihrerseits auch keinen Heiligenschein. Bei ihrem Bestreben, ihren Samen so weit wie möglich zu verbreiten, gehen manche aufs äußerst komplizierte Ganze. Die älteren Männchen der Purpurschwalbe, der größten Schwalbenart der Welt, betrügen frohgemut ihre jüngeren Kollegen. Ein älteres Schwalbenmännchen richtet sein Nest ein und wirbt um eine Partnerin, mit der es sich dann ohne Umschweife paart. Doch damit nicht genug. Es geht diesem Geschäft dreist weiter nach und trällert einen Gesang, der speziell dazu angelegt ist, ein jüngeres Männchen in seine Nähe zu locken. Der unerfahrene Jährling zieht in die Nachbarschaft und lässt einen Schmachtgesang vom Stapel, der ihm eine Gefährtin herbeilocken soll die alsbald nach ihrer Ankunft zuerst einmal von dem älteren Männchen verführt wird. Ein Jährling bringt es infolgedessen selten fertig, mehr als dreißig Prozent der Eier seiner Partnerin zu befruchten, obwohl er am Ende derjenige ist, der für die Brut zu sorgen hat.
    In einer für alternde Hollywoodhelden herzerwärmenden Weise schaffen es ältere Männchen überhaupt oft, jüngere Artgenossen in ihrem Umfeld vorzuführen, zum Hahnrei zu machen oder anderweitig zu demütigen. Stockentenmännchen versuchen unablässig, Weibchen, die mit anderen Männchen liiert sind, zum Sex zu drängen. Das Weibchen wehrt sich heftig, um der Kopulation zu entgehen. Es fliegt davon, taucht unter oder kämpft, und wenn sein Partner in der Nähe ist, hilft er bei der Verteidigung. Nur die reifsten und erfahrensten Männchen im Umkreis bringen es fertig, jeden Widerstand zu überwinden und ein fremdes Weibchen zu missbrauchen. Doch Vergewaltigung kommt im Tierreich eher selten vor, und in den meisten Fällen müssen sich die Männchen auf ihre Physiologie verlassen, um zum Erfolg zu kommen. In vielen Fällen begünstigt die natürliche Selektion die Männchen mit der ergiebigsten Ejakulation und lässt somit ein Paar beeindruckende Hoden entstehen. Je größer die Wahrscheinlichkeit dafür ist, dass die Weibchen einer Art sich mit mehr als einem Männchen paaren werden, umso größer werden die spermienproduzierenden Organe bei dieser Art. Biologen haben bei einem Vergleich der Hodengröße verschiedener höherer Primaten festgestellt, dass diese im Vergleich zum übrigen Körper bei den Schimpansen am größten ausfallen. Schimpansen sind die Einzigen, die in gemischtgeschlechtlichen Herden leben, in denen es zu lebhaften Kreuz-und Querpaarungen kommt. Das Männchen mit der größten Spermienmenge hat eine gute Chance, den Samen seiner Konkurrenten auszubooten.
    Gorillas sind größer, ihr Skrotum aber ist kleiner, und dies lässt darauf schließen, dass das Sozialsystem dieser großen Menschenaffen einen Krieg der Spermien nicht begünstigt. Durch eine Kombination aus echter Wildheit und brustkorbtrommelndem Imponiergehabe schafft es ein Silberrückenmännchen, einen ganzen Harem an Weibchen mit nur wenig Störungen oder Konkurrenzsperma von anderen Männchen unter Kontrolle zu halten. Es bringt niemandem etwas, mit riesenhaften Testikeln herumzulaufen, wenn ein Männchen die meisten Weibchen allein beherrschen kann. Statt Energie in das Wachstum großer Genitalien zu investieren, trachten die untergeordneten Männchen eher danach, einen Silberrückenmann zu besiegen, um in den Genuss der Haremsprivilegien zu kommen. Menschen verfügen über mittelgroße Hoden, ein guter Hinweis darauf, so die Biologen, dass unsere Art im Prinzip monogam ist. Garantien dafür gibt es jedoch nicht.
    o ja, die Menschen. Es bedarf eines unerschrockenen Biologen, die neuesten Befunde zur Untreue in der Tierwelt auf Untersuchungen am Menschen zu übertragen - halten diese doch hartnäckig an Vorstellungen wie freiem Willen, bewusster Entscheidung und Spontaneität fest. Zufällig gibt es eine Menge tapferer Theoretiker, und viele von ihnen stehen auf dem Standpunkt, dass der menschliche Drang zur Untreue eine evolutionäre Basis hat.
    Babys benötigen eine lange Zeit hindurch Fürsorge, und dies hat vermutlich bereits früh in der menschlichen Evolution zur Paarbindung geführt. Doch selbst ein glücklich verheirateter Mann könnte durchaus motiviert sein, ein bisschen herumzustreunen, weil er in sich den Drang verspürt, ein paar mehr von seinen Genen in den gemeinsamen Pool befördern zu müssen. Und was die Frau betrifft, so geht diese vielleicht mit einem Mann fremd, der aussieht, als
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