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Schön scheußlich

Schön scheußlich

Titel: Schön scheußlich
Autoren: Natalie Angier
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Stabilität gewähren, ihre Jungen aufzuziehen, während sie andererseits locker genug sind, gelegentliche Seitensprünge zu ermöglichen.
    Ein Großteil der falschen Vorstellungen zum Thema Monogamie und Untreue datiert aus den Tagen Darwins, als er und andere Naturforscher anhand ihrer Feldstudien an Tierpaaren im Grunde völlig vernünftige Vermutungen zum Thema Paarbindung aufstellten. Fast alle Vogelarten bilden während der Brutsaison Paare, und die Naturforscher glaubten, diese Bindung sei für das Überleben der Jungen unerlässlich. Ohne den Beitrag beider - Männchen und Weibchen - beim Ausbrüten der Eier und zum Schutz wie auch zur Versorgung der Jungen würden es nur wenige Nachkommen schaffen, flügge zu werden. Die Forderung nach Stabilität schloss offenbar auch die Forderung nach Monogamie ein.
    Doch als die Feldforscher in ihren Beobachtungsmethoden versierter wurden, entdeckten sie mehr und mehr Fälle, in denen bei einem angeblich monogamen Vogel paar der eine Partner auf ein Schäferstündchen mit einem Geliebten abschwirrte.
    Solche Beobachtungen veranlassten die Forscher dazu, DNS-Fingerprinting und andere in Vaterschaftsverfahren eingesetzte Techniken anzuwenden, um die Abstammung von Küken zu klären. Sie stellten fest, dass zwischen zehn und siebzig Prozent der Nachkommen in einem Nest nicht von dem Männchen abstammten, das für sie sorgte.
    Betrachten Sie die wohl vertraute Schwarzkopfmeise Nordamerikas. Im Winter bildet sich innerhalb eines Schwarms eine Dominanzhierarchie, in der jeder Vogel seine eigene Stellung in Relation zu der seiner Artgenossen ebenso kennt wie den jeweiligen Rang der anderen Vögel. Sobald im Frühjahr die Brutsaison naht, zerfällt der Schwarm in Paare, die jeweils eine Reviernische verteidigen und dort brüten. Bei passender Gelegenheit wird sich jedoch ein Meisenweibchen, das zu einem Männchen von geringerem Rang gehört, aus dem Nest stehlen und sich in das Territorium des höherrangigen Männchens von nebenan begeben. Diese unverfrorene Meise hat am Ende von beidem das Beste: einen treuen Partner daheim, der ihr hilft, die Jungen großzuziehen, und die Chance, zumindest einem oder zwei ihrer Nachkommen die überlegeneren Gene eines dominanten Männchens zu bescheren.
    Auch Rauchschwalbenweibchen sind bei ihren außerehelichen Beziehungen überaus anspruchsvoll. Wenn ein Weibchen fremdgeht, kopuliert es grundsätzlich mit einem Männchen, das einen etwas längeren oder symmetrischer geformten Schwanz besitzt als der eigene Partner. Der prächtigere Schwanz scheint ein Beweis dafür zu sein, dass das Männchen vor Parasiten gefeit ist, ein Merkmal, das auf das Weibchen eine beträchtliche Anziehungskraft ausübt. Das Weibchen verhilft unter Umständen nicht nur seinen Jungen zu diesem Merkmal, sondern es setzt sich auch weniger den Blut saugenden Parasiten aus, wenn es befallene Partner meidet.
    Manche Weibchen, die sich mit vielen verschiedenen Partnern zusammentun, erhalten vielleicht nicht unbedingt die besten Gene, dafür aber hinreichende genetische Variabilität, um sicherzustellen, dass wenigstens ein Teil ihres Nachwuchses gedeiht. Eine Bienenkönigin verlässt ihren Stock nur ein einziges Mal, aber auf diesem einen Ausflug paart sie sich mit mindestens fünfundzwanzig Drohnen. Ihre Zügellosigkeit lässt sich leicht dokumentieren: Um die Begattung zu vollenden, muss die arme Drohne ihre Geschlechtsorgane explosionsartig in den Leib der Königin entleeren und geht dabei zugrunde, wobei sie aber ein unwiderlegbares Zeugnis ihrer Begegnung hinterlässt. Obwohl die Bienenkönigin beträchtliche reproduktive Ansprüche stellt - genügend Samen, um vier Millionen Eier zu befruchten - , könnte jede einzelne Drohne durchaus genügend Sperma zur Verfügung stellen, um diesen Bedarf zu decken. Das ausschweifende Verhalten der Bienenkönigin ist also offensichtlich dazu da, ihrer Brut genetische Vielfalt zu sichern.
    Doch es haben sich im Verlauf der Evolution auch Gegengewichte entwickelt, die dazu beitragen, weibliche Treulosigkeit im Zaum zu halten. Weibchen, die sich aktiv nach »außerehelichen« Affären umtun, laufen Gefahr, sich die Ergebenheit ihres Partners zu verscherzen. Wenn ein Rauchschwalbenmännchen beobachtet, dass sein Weibchen sich mit seinem Nachbarn paart, rächt es sich, indem es seine Fürsorglichkeit gegenüber den Jungen einschränkt. Deshalb werden die meisten ehebrecherischen Begegnungen rasch und im Verborgenen
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