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Schnee Im Regierungsviertel

Titel: Schnee Im Regierungsviertel
Autoren: Georg R. Kristan
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Umfeld.«
    »Vom Hörensagen. – Meine liebe Tochter ist da auch mal hineingeraten. Sie hat uns begeistert erzählt, was man zu denken und auf dem Leib zu tragen hat, und natürlich welche Automarke adäquat ist. Übrigens, Deux-Chevaux ›Ente‹ ist jetzt, wo sie nicht mehr gebaut wird, absolut in – als Zweitwagen natürlich. – Du merkst schon, ein gutes Familienleben fördert die Gespräche. Lupus erfährt da so einiges.«
    »Ach so«, sagte Freiberg schmunzelnd, »ich dachte, ihr unterhaltet euch nur telefonisch miteinander.«
    Die Fundsache wurde gebracht: Eine Tasche aus Rohseide, sehr modisch und exklusiv, ähnlich einem Pompadour. Fingerabdrücke ließen sich daran allerdings nicht sichern. Der Kollege vom Erkennungsdienst legte den Inhalt Stück für Stück auf die Stufen des Denkmals, so als würden Opfergaben dargebracht: Ein Portemonnaie aus dem gleichen Material wie die Tasche, bestickt mit Blumenmotiven, Inhalt zweihundertneunundsechzig Mark und ein paar Pfennige, ein Lippenstift in goldfarbener Metallhülse, ein Päckchen Papiertaschentücher, eine Lederschlaufe mit vier Schlüsseln, zwei davon Marke BKS, einer Marke WMS, und ein kleiner einfacher Schlüssel, der für einen Briefkasten bestimmt sein dürfte.
    Die aufklappbare lederne Falttasche nahm Freiberg dem Kollegen sofort aus der Hand und entnahm ihr einen Ausweis.
    »Na also – der Fund bringt uns weiter. Bitte mehr Licht her!« Es handelte sich um einen maschinenlesbaren Personalausweis, angeblich fälschungssicher, mit einem nicht sehr gelungenen Paßfoto. Die Umsetzung der Farbbilder in Schwarz-weiß bei der Herstellung dieser Ausweise brachte immer mäßige Ergebnisse, mit denen schöne junge Frauen wohl kaum einverstanden sein konnten. Doch für die Tote hatte sich das Problem erledigt.
    Freiberg gab bekannt: »Irmela Ellers, vierundzwanzig Jahre alt, wohnhaft in Bonn, Am Hofgarten Nummer siebenundsiebzig.« Er blätterte weiter und zog aus der Einschubhülle einen Studentenausweis der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität und eine Immatrikulationsbescheinigung, wie sie zur Vorlage bei Behörden ausgestellt wird.
    »Uni Bonn, erstes Semester«, las Freiberg vor.
    »Seltsam«, meinte Lupus, »vierundzwanzig Jahre alt und dann erstes Semester; das würde für Studenten passen, die beim Bund waren oder Ersatzdienst geleistet haben. Aber für eine Frau ist das ungewöhnlich; meine Tochter ist ein halbes Jahr jünger und macht im nächsten Jahr ihr Examen.«
    »Wir werden klären, wo die Irmela in der Zeit nach dem Abitur gesteckt hat. – Aber wie kommt die Tasche ins Gebüsch?«
    »Vom Weg aus hineingeworfen, vermute ich«, sagte der Mann vom Erkennungsdienst. »Aber von wem und warum?«
    »Da will uns entweder jemand in die Irre führen, oder dieser jemand ist in Panik geraten und hat die Tasche kurz vor der beleuchteten Straße weggeworfen«, antwortete Freiberg, ohne lange zu überlegen. »Wie sieht’s aus mit Fixerutensilien?«
    »Nichts.«
    »Lupus! Wir haben die Adresse, wir haben die Schlüssel, also fahren wir jetzt zum Hofgarten und schauen uns die Wohnung an. Aber vorher sehen wir kurz beim ›Panorama‹ vorbei.«
    Sie verabschiedeten sich von den Denkmalschützern, die ihr technisches Gerät abbauten. Golf und Ente schafften den Weg zum Panorama-Hotel in ein paar Minuten. Das Haus mit seiner streng gegliederten Fassade lag behäbig im Mondlicht.
    Auf der anderen Seite des Rheins ragte die Ruine Drachenfels aus einem feinen Schleier von Dunst hervor, der vom Flußbett heraufzog. Der Parkplatz war leer; die Gäste schienen gegangen zu sein.
    Freiberg und Lupus überquerten den Platz und gingen auf einen Mann zu, der prüfte, ob Türen und Fenster im Parterre des Hauses geschlossen waren. Der Kommissar sprach ihn an: »Guten Abend oder guten Morgen – wir sind von der Kriminalpolizei.«
    Der Angesprochene sah zu den Fahrzeugen hinüber und wieder zurück. »Hm?«
    »Ja, Kripo ohne Dienstwagen. Beim Kaiser Wilhelm wurde eine Tote gefunden.«
    »Hab’s gehört«, brummelte der Mann.
    Freiberg hielt den Ausweis von Irmela Ellers ins Licht. »Kennen Sie die Frau hier auf dem Foto?«
    »Hm, kann sein – kann auch nicht sein. Diese Schnuppies sehen alle gleich aus. Ob sie dazu gehört, müßten die vom Clan schon besser wissen. Aber seit einer halben Stunde sind alle fort.«
    Freiberg war neugierig geworden. »Schnuppies! – Wer soll das denn sein. Ich kenne wohl Yuppies, junge Leute, die viel Geld verdienen und zeigen
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