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Schnee Im Regierungsviertel

Titel: Schnee Im Regierungsviertel
Autoren: Georg R. Kristan
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wir die Polizei.«
    »Und dann verschwinden wir.«
    »Nein«, sagte Ulrich bestimmt. »Wir warten hier, sonst wird nach uns gefahndet, und wir stehen ganz schön dumm da, wenn sie uns finden.«
    »Das sollte nun unsere Nacht sein«, seufzte Verena. »Die werde ich nie vergessen – und Kaiser Wilhelm auch nicht!«
    »Bitte, warten Sie in Höhe des Sendemastes auf das Eintreffen unseres Streifenwagens«, hatte der Beamte in der Einsatzleitstelle des Polizeipräsidiums Bonn ruhig und bestimmt gesagt, nachdem er die Meldung über die anscheinend tote Frau am Kaiser-Wilhelm-Stein entgegengenommen hatte. Noch während Ulrich resigniert und zornig zugleich die lahmen Beamtenärsche verfluchte, die mit langweilig-kühler Routine die Todesnachricht registriert hatten, ergingen vom Funktisch drei die notwendigen Anweisungen. Langsam drehten sich an der Rückwand des Raumes die Revoxbänder der Aufzeichnungsgeräte, die jedes Wort der jetzt anlaufenden Aktion festhalten würden. CEBI, die Computerunterstützte Einsatzleitung, Bearbeitung und Information, mit zwölf Funkleittischen, einem Großrechner und Dutzenden von Monitoren, funktionierte ohne Hektik. Die Streifenwagenbesatzung von UNI 11/16 hatte es sich in einer Parkbucht vor dem Beethoven-Gymnasium bequem gemacht. Polizeiobermeister Dettel rauchte eine Zigarette. Hauptmeister Meinhard war ausgestiegen, um sich die Beine zu vertreten. Eine Polizeistreife, vom Koblenzer Tor kommend, gesellte sich zu ihm. Einer von beiden war eine Frau. Lässig, wie ein Theatertäschchen trug sie die Heckler-und-Koch-Maschinenpistole am Riemen über der rechten Schulter.
    »Ihr seid ein schönes Paar«, frotzelte Meinhard. »Bonns Bürger würden ihre helle Freude haben, wenn sie wüßten, wer sie nächtens beschützt.«
    »Und ich würde meine Freude haben, jetzt im warmen Bett zu liegen, anstatt mich hier als Frau zu verwirklichen«, gab die ansehnliche Polizistin zurück.
    »Gute Idee«, stellte Meinhard fest. »Jeder von uns wäre bereit, dabei Gesellschaft zu leisten.«
    Noch bevor das Wortgeplänkel weitergehen konnte, krächzte der Lautsprecher los. UNI 11/16 erhielt Einsatzbefehl. Dettel und Meinhard meldeten sich über Funk dienstbereit und gaben für das Elektronengehirn von CEBI über Knopfdruck den Status drei ein: »Auftrag übernommen«. Bei der Abfahrt hörten sie noch die sehnsüchtigen Worte der Kollegin: »Mensch, bei euch ist wenigstens was los.«
    UNI 11/16fuhr mit Blaulicht und aufheulender Sirene Richtung Poppeisdorf und dann die Robert-Koch-Straße den Venusberg hinauf. Am Sendemast des WDR bremste der Fahrer und nahm Ulrich und Verena auf. Noch dreihundert Meter, dann hielt der Wagen in der Nähe des Denkmals.
    »Gut, daß Sie dageblieben sind«, sagte Obermeister Dettel. »Die meisten hauen ab, wenn sie uns hochgescheucht haben. – Also, wo liegt die Tote?«
    Ulrich wies zum Kaiser-Wilhelm-Stein hinüber. »Dort hinten.«
    »Seltsamer Ort für Leichen«, stellte der Obermeister fest und nahm die Handlampe aus dem Kofferraum. »Das sehen wir uns mal an! Ihre Begleiterin bleibt hier bei meinem Kollegen. – Kurt, du sicherst das Gelände, so gut es geht. Wir brauchen Verstärkung.«
    »CEBI macht schon mobil«, bestätigte Meinhard und drehte den Lautsprecher hoch.
    Der Obermeister wandte sich an Ulrich: »Wie ist Ihr Name? Beruf?«
    »Ulrich Steiner, Student.«
    »Also, Herr Steiner, sind Sie einverstanden, mich zu begleiten?«
    »Ja, natürlich.«
    »Sie waren beim Bund?«
    »Wehrpflichtiger – gestohlene Zeit.«
    »Dacht’ ich’s mir doch! – Und was wollten Sie um diese Zeit beim Kaiser Wilhelm?«
    »Eine laue Sommernacht – und Verena und ich…«
    Dettel lachte auf: »Ach so, verstehe. Liebe zur Geisterstunde. Ihr Studenten seid doch vollkommene Spinner. Jetzt hat Ihre Dame wohl den Schock fürs Leben.«
    Obermeister Dettel leuchtete den Weg ab und ließ den Strahl der Lampe auch über die Büsche wandern.
    »Muß da nicht die Kripo kommen?« fragte Ulrich.
    »Erst kommen wir«, brummelte der Uniformierte. »Dann erst kommen die zivilen Schlaumeier. – Was meinen Sie wohl, was hier in der nächsten halben Stunde los sein wird?«
    Der Strahl der Handlampe traf die Stämme der Bäume, dann die Basaltsäulen und verhielt auf dem hingestreckten Körper der Frau. Ein bleiches Gesicht unter braunem mittellangen Haar, starre Augen, scharf konturierte und geschminkte Lippen. Der Körper zart und zerbrechlich wirkend in dieser unmöglichen Lage auf den
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