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Schmetterlingsjagd (German Edition)

Schmetterlingsjagd (German Edition)

Titel: Schmetterlingsjagd (German Edition)
Autoren: Kate Ellison
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Schlendern, Einkaufen und Lächeln beschäftigt, dass sie nicht merken, wie ich unentwegt tippe und zähle.
    Ein Stand mit alten Musikinstrumenten ein paar Schritte weiter beruhigt mich sofort: Messingtuben und reich verzierte Waldhörner hängen vom Dach des Verkaufsstandes wie glänzende Schweinehälften. Sie sind alle viel zu groß, um sie mitzunehmen, und außerdem zu teuer, aber ihre Schönheit und die Vorstellung von ihrem Gewicht erwecken in mir den Wunsch, eine von ihnen ein Weilchen im Arm halten zu können. Ihr Gewicht würde mich trösten, sie sind stabil. Sie lösen sich nicht einfach so in Luft auf.
    Ich starre die glänzenden Instrumente an. Plötzlich rennt ein Junge an mir vorbei, schnell wie der Wind. Er trägt eine Mütze mit Bärenohren, und ich vermute nur, dass er ein Junge ist, denn eigentlich sehe ich nur die Bärenohren. Er streift meine Schulter und bringt mich damit aus dem Gleichgewicht. Ich werfe fast den ganzen Tisch direkt hinter mir um, schaffe es aber gerade noch, mich zu fangen. Der ganze Trödel – Schmuck und alte Lampen und Broschen und Figürchen und Silberbesteck und Anstecknadeln und Knöpfe und Anzugfliegen – fällt herunter.
    «Entschuldigung», murmele ich hastig und bücke mich, um die Sachen wieder aufzuheben. Mir ist ganz egal, wer der geheimnisvolle Bärenjunge war, der mich angerempelt hat – ich konzentriere mich ganz und gar darauf, den Schatz, in den ich zufällig gefallen bin, hingebungsvoll zu betrachten, neu aufzustellen und zu ordnen.
    «Ist schon in Ordnung, Süße», sagt der Verkäufer, der hinter seiner Auslage hervorgekommen ist, um mir zu helfen. «Hier muss es nicht so ordentlich aussehen.»
    Ich hebe eine zarte silberne Armbanduhr auf, die zwischen zwei verschiedenfarbigen Salatgabeln gelandet ist. Ich halte sie hoch. Das Zifferblatt reflektiert das Sonnenlicht.
    Der Verkäufer sieht, wie ich die Armbanduhr betrachte, und wirkt erschrocken. «Oh», bellt er, «die ist nicht zu verkaufen.» Er trägt ein Namensschild, auf dem steht Hallo, ich heiße Mario in krakeliger roter Schrift.
    «Aber …», setze ich an. Er beugt sich vor und reißt mir die Armbanduhr buchstäblich aus den Fingern. Plötzlich steigt eine heiße Wut in mir hoch, die ich nicht zurückhalten kann, und ich platze heraus: «Sie sollten keine Gegenstände in die Auslage legen, die Sie nicht verkaufen wollen, wissen Sie. Das ist nicht nett.»
    «Sorry, ich weiß gar nicht, wie die dahin gekommen ist», erwidert Mario und grinst mich an. Er geht in die Hocke, hebt die restlichen Gegenstände auf und lässt sie achtlos auf den unordentlichen Haufen auf dem Tisch fallen. Marios Haare sind leuchtend feuerrot, eine Farbe, die den Punkern beim Sport immer die Stirn heruntertropft, wenn sie ins Schwitzen geraten. Aber er ist viel zu alt für die Schule – mindestens vierzig, würde ich sagen, und er trägt ein viel zu großes selbstgebatiktes Jimi-Hendrix-Shirt und ausgewaschene Jeans. Seine Haut ist ledrig und voller Falten.
    «Aber alles andere kannst du kaufen», fügt er hinzu. «Such dir ruhig etwas aus. So einem hübschen Mädchen wie dir gebe ich Rabatt.»
    «Ich schaue nur», antworte ich automatisch. Ich will schon gehen, aber diese Gegenstände, all die wunderschönen Sachen, scheinen nach mir zu rufen. Ich greife nach einem Klumpen Schmuck in der Mitte des Tisches und versuche, all die Ketten, Ohrringe und Anstecknadeln auseinanderzusortieren. Mario beobachtet mich mit dem Auge eines Verkäufers. Wahrscheinlich überlegt er, wie er mich am besten übers Ohr hauen kann.
    In dem Schmuckknäuel ist auch eine Kette, die mir merkwürdig bekannt vorkommt: eine angelaufene Silberkette mit einem Pferdeanhänger, der schwer an einem Drahtring baumelt. Ich schaue ihn mir genau an und suche nach etwas, von dem ich nicht genau weiß, was es ist – eine Tatsache oder ein Bild, das irgendwo in der hintersten Ecke meines Gedächtnisses versteckt ist.
    «Wenn dir die Kette gefällt, hätte ich da noch ein paar Sachen, die dir gefallen werden.» Mario wühlt in einer Plastiktüte, die hinter ihm steht, und zieht ein paar Gegenstände daraus hervor. Dann legt er sie nacheinander auf eine einigermaßen freie Stelle des Tisches.
    «Ich hätte diese Dinge hier gleich auslegen sollen», sagt er, «aber die sind alle ganz neu, und ich hatte sie einfach noch nicht auf der Rechnung.» Er schlägt sich mit der Handfläche gegen die Stirn, das wirkt völlig übertrieben, und grinst: ein Clown, ein
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