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Schmetterlingsgeschichten - Chronik I - Genug geschlafen (German Edition)

Schmetterlingsgeschichten - Chronik I - Genug geschlafen (German Edition)

Titel: Schmetterlingsgeschichten - Chronik I - Genug geschlafen (German Edition)
Autoren: Alexander Ruth
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in einen weiteren Kanister.
      »Konzentriere
dich, Mädchen! Konzentration!«
     
     
     S tephanus
machte die Augen auf. Hatte er etwa geschlafen? Nein, aber er war seinen Gedanken
nachgegangen. Zum Glück konnte es niemand aufgefallen sein – er war allein. Er
war seit Hunderten von Jahren allein auf der Erde.
     
Seitdem die Ritter schlafen gegangen waren, zeichnete er nur noch die
Geschichte der Menschen auf. Er verfiel wieder seinen Erinnerungen. Da war die
Liebe zwischen Gwendoline und Xamorphus. Sie war so rein, so stolz. Sie
gehörten zu den letzten Rittern, die die Menschen verließen, die sich schlafen
legten. Beide hatten mit angesehen, wie Joliana und Rolanphin, ihre besten Freunde,
und die anderen, sich zur langen Ruhe legten. Sie wussten, sie würden
wiederkommen. Nur wann?
     
Stephanus strich sich durch die braunen Haare. Ach, es hatte seinen Vorteil,
Chronist zu sein. Ritter und Chronisten teilten sich eine einzige Sache: ewige
Jugend, ewiges Alter – die Unsterblichkeit. Sie wurden normal geboren, doch
dann meldete sich die innere Gabe – das konnte schon als Kind oder Jugendlicher
sein – oder aber auch erst als Erwachsener. Jedenfalls endete ihr Alterungsprozess
vom Aussehen her Mitte zwanzig. Lediglich ihre Augen verrieten ihre wahren
Jahresringe. Dieses Wissen, diese Weisheit, diese Fähigkeiten.
     
Stephanus seufzte. Er hatte nie geliebt. Nicht so wie die Ritter. Sie konnten
Millionen von Meilen voneinander getrennt sein, sie fühlten jeden Schmerz, jede
Freude des anderen. Waren einmal die füreinander Bestimmten zusammen, war es
eine Symbiose, die ihresgleichen suchte. Zusammen waren sie stärker als jede
bekannte Macht des Universums.
     
Stephanus lächelte. Er schlug eine leere Seite auf. Ein neues Kapitel. Sie
mussten sich wieder finden. Das Erwachen dauerte. Auch mussten sie erst ihre
Fähigkeiten neu erlernen, und das Wissen kam nur sehr langsam zurück.
    Stephanus
war nervös. Was würde alles passieren?
     
Er beherrschte die Vergangenheit, nicht aber die Zukunft. Vor allem nicht, wenn
Ritter mitspielten.
    Seine
Hände zitterten, als er die Feder in die rote Tinte tunkte und mit großen
Buchstaben schrieb: Liebe wird sie binden, Liebe wird sie finden.
     
Er freute sich auf das, was kam. Allerdings mit leichter Sorge: Ritter wachten
nicht umsonst auf. 
     
    ******

8.
     
     D er Schuss
fiel so leise wie Schneeflocken in einer angenehmen Winternacht: Er war
perfekt.
      Die
Scharfschützin brauchte sich keine Gedanken mehr um ihre Tarnung zu machen. Mit
dem Funkspruch, den sie erhalten hatte, waren gleichzeitig vier F-16, die sich
in einigen Kilometern Höhe aufgehalten hatten, in einen Zielanflug gewechselt
und gaben ihr, nennen wir es der Einfachheit halber, Deckung. Sie musste auch
nicht großartig weit zurückmarschieren – ein Hubschrauber war auf dem Weg, um
sie abzuholen.
      Die
Kriegerin steckte die beiden verbliebenen Magazine in eine Seitentasche und
hing sich die SIG Sauer über den Rücken. Den Rest ließ sie einfach an Ort und
Stelle liegen.
    Ihr
Job war es gewesen, 100% sicherzustellen, dass die Zielperson vor Ort war und
diesen auf gar keinen Fall lebend verließ. Auch wenn der Luftangriff noch so
stark war, bestand immer noch die Möglichkeit, dass die Zielperson überlebte –
deswegen war sie da.
      Sie
hatte noch nie einen Massenmörder ausgeschaltet.
    Gut,
in gewisser Weise war Juan Monte de Sarfa, ein kolumbianischer Drogenbaron, den
die Scharfschützin vor einem Monat im Dschungel liquidiert hatte, auch ein
Massenmörder. Die Opfer starben letztendlich auch – aber nicht so einer wie
Mustafa Omar. Er hatte vor zehn Jahren ein kurdisches Flüchtlingslager mit
Giftgas angegriffen, in dem nur Frauen und Kinder untergebracht waren. Genau
660.
      Hatte
er in ihre Richtung geschaut?
    Als
sie den Code bekommen hatte, waren ihr die alten Satellitenbilder durch den
Kopf gegangen, und irgendwie hatte sie gedacht: »Schau mich an. Schau mir ins
Gesicht. Schau mir in die Augen.«
      Wieder
und wieder.
    Dann
hatte er sich zu ihr umgedreht. Ja, er hatte zu ihr geschaut. Die Kugel traf
ihn genau zwischen die Augen.
     
    Memorandum
von Stephanus:
     
Er hatte sie wirklich gehört. Ihre Stimme war in seinem Kopf erschienen, so,
als wenn sie direkt neben ihm gestanden und mit ihm gesprochen hätte.
     
Er musste zu ihr schauen, er konnte nicht anders. Es war ihre Macht –  und
nicht die einzige.
     
    ******

9.
     
     S ie saßen
zusammen am Frühstückstisch. Papa
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