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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm
Autoren: Kurt Tucholsky
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sie werden ihn
    doch nicht in Abbazia an ein öffentliches Haus verkauft
    haben?“ — „Na, ob da Bedarf für ist …“ — „Daddy, wo ist
    eigentlich der Dackel?“ — „Dein Kofferdackel?“ — „Ja.“ —
    „Der steht doch … der steht unter meinem Bett. Nachts
    bellt er.“ Wir gingen ins Haus.
    Die Prinzessin pfiff wie ein Lockvogel. Was gabs?
    Der Brief war da — ein dicker Brief. Sie riß ihn auf, und
    ich nahm ihn ihr fort, dann flatterten die Bogen auf den
    Boden, wir sammelten sie auf und brachen in ein fröhli-
    ches Geschrei aus. Da war alles, alles, was wir brauchten.
    „Das ist fein. Na — aber nun! Wie nun?“
    „Das beste is,“ sagte die Prinzessin, „wir gehn gliks mal
    eins hin un holen uns dem Kinde her von diese alte Gift-
    nudel. Auf was wolln wi nu noch warten?“
    „Jetzt essen wir erst mal Mittag, und dann gleich nach
    Tisch … Krach ist gut für die Verdauung.“
    Wir saßen grade bei den Preiselbeeren, diesem mild
    brennenden Kompott, da hörten wir draußen vor der Tür
    ein Getöse, das Ungewöhnliches anzeigte. Wir ließen die
    Löffel sinken und horchten. Nun — ? Die Schloßfrau kam
    herein; sie sah aus wie ein Extrablatt.
    „Da ist ein Kind draußen,“ sagte sie und sah uns ganz
    leicht mißtrauisch an, „ein kleines Mädchen — sie weiß
    nicht, was Sie heißen, aber sie sagt, sie will zu den Mann
    und der Frau, die ihr eine Puppe gegeben hat, und sie wein-
    ten die ganze Zeit und sie bin so rot im Gesicht … Kennen
    Sie das Kind?“ Wir standen gleich auf. „O ja — das Kind
    kennen wir schon.“ Hinaus.
    Da stand der kleine Gegenstand.
    Sie sah recht zerrupft aus, verweint, die Haare hingen
    ihr ins Gesicht, vielleicht war sie schnell gelaufen. Das
    Kind war nicht recht bei sich. Als es Lydia sah, lief es rasch
    auf sie zu und versteckte sein Gesicht an ihrem Kleid.
    „Was hast du denn? Was ist denn?“ Die Prinzessin beugte
    sich nieder und verwandelte sich aus dem Sportmädchen
    von heute morgen in eine Mama; nein, sie war beides. Die
    Schloßfrau stand dabei, ein Schwamm der Neugierde — sie
    saugte es alles auf. Also?
    Das rote Weib hatte das Kind geprügelt und geknufft
    und so laut geschrien; das Kind war fortgelaufen. Es war
    wohl nicht mehr auszuhalten gewesen. Und nun zitterte
    das Kind und zitterte und sah nach der Tür. Kam sie — ?
    Frau Adriani würde sie holen. Frau Adriani würde sie ho-
    len. Es war nur bruchstückweise aus ihr herauszubekom-
    men, was es gegeben hatte. Schließlich wußten wir alles.
    Wir standen herum. „Ich gebe sie nicht mehr heraus“,
    sagte ich. „Nein … natürlich nicht“, sagte die Prinzessin.
    Die Schloßfrau: „Senden Sie nicht das Kind zurück?“ Der
    kleine Gegenstand begann laut zu weinen: „Ich will nicht
    zurück! Ich will zu meiner Mutti!“ — „Noch einen schwar-
    zen Kaffee,“ sagte ich zur Prinzessin, „und dann gehts los.“
    Wir nahmen das Kind mit hinein und bauten vor ihm Keks
    auf. Es nahm keine Keks. Wir tranken still; wenn es wild
    zugeht, soll man immer erst einmal bis hundert zählen
    oder einen Kaffee trinken.
    „So, Lydia — jetzt wisch mal dem Kind das Geheul
    ab und beruhige es ein bißchen, und ich werde mit dem
    süßen Schatz telefonieren! Würden Sie mich bitte mit
    dem Kinderheim verbinden?“ Die Schloßfrau stellte viele
    Fragen, ich beantwortete sie sehr kursorisch, sie sagte et-
    was Schwedisches in das Telefon; und dann saß ich da und
    wartete.
    Jemand meldete sich, auf schwedisch. Ich sprach aufs
    Geratewohl deutsch. „Kann ich Frau Adriani sprechen?“
    Lange Pause. Dann eine harte, gelbe Stimme. „Hier Frau
    Direktor Adriani!“ Ich meldete mich. Und da brach es drü-
    ben los.
    „Das Kind ist wohl bei Ihnen? Ja?“ — „Ja.“ — „Sie geben
    es sofort … Sie schicken mir sofort das Kind! Ich werde es
    abholen lassen — nein: Sie schicken es mir sofort … Sie
    bringen mir auf der Stelle das Kind zurück! Ich zeige Sie
    an! Wegen Kindesentführung! Das haben Sie dem Kind
    in den Kopf gesetzt! Sie! Was? Wenn das Kind nicht in
    einer halben Stunde … nicht in einer halben Stunde bei
    mir … Haben Sie mich verstanden?“ In mir schnappte das
    Regulativ ein, das die Feder zurückhält. Ich hatte mich fest
    an der Leine. „Wir sind in einer halben Stunde bei Ihnen!“
    Ein Knack — es wurde abgehängt.
    „Lydia“, sagte ich. „Was nun? Ich werde mit der Alten
    schon reden — diesmal ist sie dran. Aber die Sachen von
    dem Kind … Es hilft
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