Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm
Autoren: Kurt Tucholsky
Vom Netzwerk:
Gulbransson ganz
    richtig gezeichnet: still sinnend an des Baches Rand sitzen
    Sie da und angeln die fetten Fische. Der Köder mit 14 %
    honorarfreier Exemplare ist nicht fett genug — 12 sind auch
    ganz schön. Denken Sie mal ein bißchen darüber nach und
    geben Sie Ihrem harten Verlegerherzen einen Stoß. Bei 14 %
    fällt mir bestimmt nichts ein — ich dichte erst ab 12 %.
    Ich schreibe diesen Brief schon mit einem Fuß in der
    Bahn. In einer Stunde fahre ich ab — nach Schweden. Ich
    will in diesem Urlaub überhaupt nicht arbeiten, sondern
    ich möchte in die Bäume gucken und mich mal richtig aus-
    ruhn.
    Wenn ich zurückkomme, wollen wir den Fall noch ein-
    mal bebrüten. Nun aber schwenke ich meinen Hut, grüße
    Sie recht herzlich und wünsche Ihnen einen guten Sommer!
    Und vergessen Sie nicht: 12 %!
    Mit vielen schönen Grüßen
    Ihr getreuer
    Tucholsky
    Unterschrieben — zugeklebt — frankiert — es war genau
    acht Uhr zehn Minuten. Um neun Uhr zwanzig ging der
    Zug von Berlin nach Kopenhagen. Und nun wollten wir ja
    wohl die Prinzessin abholen.
    2
    Sie hatte eine Altstimme und hieß Lydia.
    Karlchen und Jakopp aber nannten jede Frau, mit der
    einer von uns dreien zu tun hatte, ‚die Prinzessin‘, um den
    betreffenden Prinzgemahl zu ehren — und dies war nun
    also die Prinzessin; aber keine andre durfte je mehr so ge-
    nannt werden.
    Sie war keine Prinzessin.
    Sie war etwas, was alle Schattierungen umfaßt, die nur
    möglich sind: sie war Sekretärin. Sie war Sekretärin bei ei-
    nem unförmig dicken Patron; ich hatte ihn einmal gesehn
    und fand ihn scheußlich, und zwischen ihm und Lydia …
    nein! Das kommt beinah nur in Romanen vor. Zwischen
    ihm und Lydia bestand jenes merkwürdige Verhältnis von
    Zuneigung, nervöser Duldung und Vertrauen auf der einen
    Seite und Zuneigung, Abneigung und duldender Nervosität
    auf der andern: sie war seine Sekretärin. Der Mann führte
    den Titel eines Generalkonsuls und handelte ansonsten
    mit Seifen. Immer lagen da Pakete im Büro herum, und
    so hatte der Dicke wenigstens eine Ausrede, wenn seine
    Hände fettig waren.
    Der Generalkonsul hatte ihr in einer Anwandlung fürst-
    licher Freigebigkeit fünf Wochen Urlaub gewährt; er fuhr
    nach Abbazia. Gestern abend war er abgefahren — werde
    ihm der Schlafwagen leicht! Im Büro saßen sein Schwager
    und für Lydia eine Stellvertreterin. Was gingen mich denn
    seine Seifen an — Lydia ging mich an.
    Da stand sie schon mit den Koffern vor ihrem Haus —
    „Hallo!“
    „Du bischa all do?“ sagte die Prinzessin — zur gren-
    zenlosen Verwunderung des Taxichauffeurs, der dieses für
    ostchinesisch hielt. Es war aber missingsch.
    Missingsch ist das, was herauskommt, wenn ein Platt-
    deutscher hochdeutsch sprechen will. Er krabbelt auf der
    glatt gebohnerten Treppe der deutschen Grammatik empor
    und rutscht alle Nase lang wieder in sein geliebtes Platt
    zurück. Lydia stammte aus Rostock, und sie beherrschte
    dieses Idiom in der Vollendung. Es ist kein bäurisches
    Platt — es ist viel feiner. Das Hochdeutsch darin nimmt
    sich aus wie Hohn und Karikatur; es ist, wie wenn ein
    Bauer in Frack und Zylinder aufs Feld ginge und so ackerte.
    Der Zylinder ischa en finen statschen Haut, över wen dor
    nich mit grot worn is, denn rutscht hei ümmer werrer aff,
    dat deiht he … Und dann ist da im Platt der ganze Humor
    dieser Norddeutschen; ihr gutmütiger Spott, wenn es ei-
    ner gar zu toll treibt, ihr fest zupackender Spaß, wenn sie
    falschen Glanz wittern, und sie wittern ihn, unfehlbar …
    diese Sprache konnte Lydia bei Gelegenheit sprechen. Hier
    war eine Gelegenheit.
    „Kann mir gahnich gienug wunnern, dasse den Zeit
    nich verschlafen hass!“ sagte sie und ging mit festen, ruhi-
    gen Bewegungen daran, mir und dem Chauffeur zu helfen.
    Wir packten auf. „Hier, nimm den Dackel!“ — Der Dackel
    war eine fette, bis zur Albernheit lang gezogne Handta-
    sche. Und so pünktlich war sie! Auf ihren Nasenflügeln lag
    ein Hauch von Puder. Wir fuhren.
    „Frau Kremser hat gesagt,“ begann Lydia, „ich soll mir
    meinen Pelz mitnehmen und viele warme Mäntel — denn
    in Schweden gibt es überhaupt keinen Sommer, hat Frau
    Kremser gesagt. Da wär immer Winter. Ische woll nich
    möchlich!“ Frau Kremser war die Haushälterin der Prin-
    zessin, Stubenmädchen, Reinmachefrau und Großsiegel-
    bewahrerin. Gegen mich hatte sie noch immer, nach so
    langer Zeit, ein leise schnüffelndes Mißtrauen — die Frau
    hatte einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher